Die wunderbare Bienen-Vielfalt der Schweiz mit über 600 Arten begeistert – doch bereits ist jede zweite Art stark bedroht: Die verletzliche Welt der Wildbienen braucht dringend mehr Schutz.
Bienen? Die Honigbiene kennen wir natürlich alle und vor allem die «kleine Biene Maja». Hummeln? Ja, die kennen wir natürlich auch, die pelzigen Brummer sind sehr beliebt! Noch viel zu wenig bekannt ist, dass es in der Schweiz noch über 600 weitere faszinierende Bienenarten gibt. Sie haben ganz unterschiedliche Lebensweisen, Nistplätze und Vorlieben! Viele sind ganz klein, unscheinbar und werden leicht übersehen.
Doch ihre Leistung für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft ist enorm: Sie erbringen zusammen mit weiteren Wildbestäubern zwei Drittel der Bestäubungsleistung bei Kultur- und Wildpflanzen. Ohne sie würde unsere Lebensqualität ganz anders aussehen: Auf dem Teller hätten wir weniger gesunde, vitaminreiche Früchte, Gemüse, Beeren und Kräuter etc. Die Welt wäre weniger bunt, viele Farben im Garten würden fehlen, weil 80 Prozent der Blütenpflanzen auf die Bestäuber angewiesen sind.
Viele Wildbienen-Arten sind in der Schweiz bedroht
So wie Kanarienvögel in den Kohle gruben warnten, geben uns die Bienen Auskunft über den Zustand der Biodiversität. Ausgerechnet so kleine Tiere – Insekten, die oft zu Unrecht gering geschätzt werden – haben enormen Einfluss darauf, wie unsere Zukunft aussehen wird. Bestäuber sind nicht optional – ihr Überleben ist mit unserem eigenen verknüpft . Schützen können wir jedoch nur, was wir auch kennen. Heute ist bereits jede zweite Wildbienen-Art bedroht, Tendenz stark steigend. Gleichzeitig warnen Wissenschaftler auf der ganzen Welt, dass sie einen enormen Artenschwund bei Insekten feststellen. Als eine der ersten Arten wird es die Wildbienen treffen, weil sie besonders hohe Anforderungen an ihren Lebensraum stellen. Damit sie erfolgreich bestäuben können, brauchen sie geeigneten Lebensraum: viele Blüten als Nahrung, Baumaterial für ihre Nester und einen Nistplatz an gut besonnter Lage, und all dies in der Nähe voneinander, da der Flugradius vieler Arten sich auf wenige hundert Meter beschränkt. Einen geeigneten Nistplatz zu finden, ist immer schwieriger geworden: Pestizide schwächen oder töten sie gar, immer weniger Blumen blühen, Kleinstrukturen müssen gepützelten Gärten und versiegelten Flächen weichen.
«Bis 2022 könnten viele Insekten und Wildbienen ausgestorben sein.»
Resolution von 77 Wissenschaftlern an der Hymenopterologentagung 2016 in Stuttgart.
Über 75% der Wildbienen sind Erdnister
Wo man jedoch natürliche Lebensräume schafft , wertvolle Bienenweiden pflanzt und Nistplätze anbietet, finden sie sich erstaunlich schnell ein und erfreuen uns mit einem Erfolgserlebnis! Dankbar werden Nistmöglichkeiten bezogen: in offenen Bodenflächen (75% der Arten sind Erdnister), Abbruchkanten, morschem Holz, stehenden Markstängeln, Schneckenhäuschen, Mauerspalten etc. Oder es werden freistehende Nester gebaut aus Mörtel oder Harz. Wer genau hinschaut, entdeckt eine unglaublich faszinierende Welt voller Schönheit und Staunen.
Sobald sich Wildbienen mit etwas Sonne aufwärmen können, starten sie los in den Tag. Einige Arten sind winzig klein, kaum grösser als ein Reiskorn, andere haben die Grösse eines Fünflibers, und wir hören sie oft , bevor wir sie sehen.
Wo immer sich Blüten mit einem attraktiven Angebot an Pollen und Nektar befinden, sind auch ihre Blumenkinder nicht weit. Hier lassen sie sich gut beobachten, wenn sie einen Moment einkehren, um Nektar zu trinken oder eine Pause zu machen. Es summt und brummt bei ihrem Flug von Blüte zu Blüte. Die Männchen stärken sich mit Nektar, die Weibchen sammeln fleissig Pollen als Nahrung für ihren Nachwuchs.
Das Wildbienen-Nest und ihre Brutzellen
In ihrem Nest ist ein Gang bereit, die Brutzelle ist angelegt, nun wird der Pollen gesammelt und angehäuft . Geschickt werden Blüten umklammert, um mit dem Rüssel tief in die Blüte einzutauchen und zum süssen Nektar zu gelangen. Mit akrobatischem Geschick positionieren sich Weibchen unter den Staubbeuteln, schaben den Pollen je nach Art an Bauchbürste oder Beine, klopfen ihn gut an und fliegen weiter …
In ihrem Nest werden sie den Pollen wieder abstreifen und so mit jedem Flug mehr ansammeln. Sobald die Menge für einen Nachkommen reicht, wird ein Ei darauf gelegt und die Brutzelle sicher verschlossen. In der Zelle geschützt, wird aus dem Ei eine Larve, die den Pollen isst und immer grösser wird. Dann entwickelt sie sich zu einer Puppe und dann zur fertigen Biene.
Bei den meisten Solitärbienen dauert es dann fast ein Jahr, bis sie schlüpfen. Sie werden wieder aktiv, wenn ihre Lieblingsblumen blühen, und legen dann innerhalb von nur etwa sechs Wochen die Nester für die nächste Generation an. Kein Wunder also, dass sie es so eilig haben!
Man muss den kurzen Moment geniessen, den sie uns für eine Beobachtung schenken. Wer sich Zeit nehmen kann zum Hinsitzen und Sichumschauen, wird staunen, wie viel Aktivität statt - findet, die wir sonst gar nicht mitbekommen… Manche Wildbienen machen eine verdiente Pause und wärmen sich an der Sonne auf, putzen ausgiebig die Antennen und Zungen und nehmen dann ihre Arbeit wieder auf …
Manchen Arten begegnet man immer wieder, andere sind selten, und es ist ein Glücksfall, sie antreffen zu können. Jeder Moment ist für eine neue Überraschung gut …
Schnell sind sie und meist sehr scheu und oft unscheinbar. Doch ist der Blick für die Wildbienen gewonnen, öffnet sich eine fantastische Welt.
Stechen Wildbienen und sind sie gefährlich?
Vor Wildbienen braucht man keine Angst zu haben, auch Kinder können sie von ganz nahe beobachten. Nur die Weibchen haben einen Stachel, setzen ihn aber nur bei Lebensgefahr ein und weichen wo immer möglich aus. Wildbienen greifen Menschen niemals von sich aus an, brauchen keine Vorräte oder ein grosses Volk zu verteidigen. Deshalb sind sie ausgesprochen friedfertig. Sie sind auch an unseren Süssigkeiten nicht interessiert und belästigen uns nie.
Im kommenden Frühling starten die Wildbienen wieder von Neuem – hoffentlich.