Illustration eines braunen Eichhörnchen im Baum

Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?

Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. NATURZYT hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten.

Wie kleine Flammen hüpfen sie von Ast zu Ast. Tollkühne Akrobaten der Lüfte, die uns mit ihren temporeichen Kunstflügen in Erstaunen versetzen und mit ihren wahnwitzigen Kletterkünsten den Atem rauben. Leider sehen wir sie heute nur noch selten in unseren Wäldern – unsere Eichhörnchen.

Eines wunderschönen Frühlingsmorgens, die Redaktionsfenster waren weit geöffnet, hörten wir plötzlich keckernde Geräusche. Neugierig geworden, gingen wir nachsehen und waren nicht wenig erstaunt, als wir in der wunderschönen grossen Föhre neben unserem Redaktionsgebäude ein Eichhörnchen sitzen sahen. Mitten in einer Siedlung und am helllichten Tag. Na, wenn das keine Aufforderung für ein Interview war.

Hallo, ich bin Sämi Eichhörnchen und möchte euch gerne etwas über uns erzählen.

LIEBER SÄMI, WIE KOMMT ES, DASS WIR DICH IN UNSERER SIEDLUNG ANTREFFEN? LEBEN EICHHÖRNCHEN NICHT IM WALD?
Am liebsten leben wir in Nadelwäldern, aber da reine Nadelwälder immer weniger werden, haben wir begonnen uns anzupassen und uns in den von euch bewirtschafteten Mischwäldern nieder zu lassen. Manche von uns wandern auch in eure Parks und Siedlungen ein, da wir sehr grosse Aktionsradien haben, welche bis zu 47 Hektaren betragen. Ich habe mich für ein Leben in eurem Siedlungsgebiet entschieden, denn da kann ich mich wunderbar am Futter der Vogelhäuschen bedienen.

NA, DU BIST ABER EIN KLEINER SCHELM. WIR DACHTEN, EICHHÖRNCHEN ERNÄHRTEN SICH VOR ALLEM VON NÜSSEN. WAS ISST DU DENN SONST NOCH GERNE?
Oh ich bin recht unkompliziert. Ich esse gerne Sämereien, Nüsse, Beeren und Früchte, bis hin zu Knospen, Rinde, Baumsaft, Flechten, Körner, Pilze (da kann ich sogar für euch giftige Pilze essen) und Obst. Wirbellose Tiere wie Würmer, Insekten, Larven, Schnecken, Vogeleier und sogar Jungvögel können aber schon auch mal zum Speiseplan gehören.

UI, DAS IST ABER WIRKLICH EIN BREIT GEFÄCHERTER SPEISEPLAN. UND WIR MÖCHTEN DAVON BESTIMMT NICHT ALLES ESSEN MÜSSEN. DECKT IHR DENN DAMIT AUCH EUREN WASSERBEDARF?
Ich verstehe schon, das mit den Jungvögeln hat euch erschreckt. So ist halt die Natur, ich mag ja auch am liebsten Nüsse und Beeren und Tannzapfensamen, von denen esse ich schon manchmal 80–100 Gramm am Tag. Hättest du vielleicht eine kleine Nuss für mich? Und um zu deiner Frage zurückzukommen, etwas trinken müssen wir schon auch, essen alleine genügt nicht.

ABER GERNE, WENN DU AUCH MIT EINER WALNUSS ZUFRIEDEN BIST. SOLLEN WIR SIE FÜR DICH ÖFFNEN?
Das ist hoffentlich keine ernst gemeinte Frage. Oder? Ich bin ein Eichhörnchen, eine Nuss zu öffnen, ist für mich eine Kleinigkeit. Da beiss ich schnell ein kleines Loch hinein und heble dann mit den unteren Schneidezähnen ein Stück der Schale heraus. Siehst du, so einfach geht das. Gelernt ist gelernt. Zapfen-Samen sind noch einfacher. Da reiss ich einfach schnell die Deckschuppen ab, so komme ich am schnellsten an die Samen. Bin schliesslich ein kräftiges Kerlchen.

ENTSCHULDIGE, WIR WOLLTEN NICHT RESPEKTLOS ERSCHEINEN. DAS IST WIRKLICH BEEINDRUCKEND. ERZÄHL UNS DOCH BITTE NOCH MEHR ÜBER DICH UND DEINE ART. WIE WOHNST DU? HÖHLT IHR BÄUME AUS, ODER BAUT IHR NESTER, WIE VÖGEL?
Also ich habe drei Kobel, so nennt man unsere Nester. Viele von uns haben zwei bis acht Kobel, da es oft vorkommt, dass wir unsere Nester wegen Parasitenbefall oder Störungen verlassen müssen. Ich benutze alle drei gleichzeitig, so kann ich wenn nötig jederzeit einfach umziehen. Ich habe mir einen schönen grossen Schlafkobel in einer tollen Astgabel etwa 6,5 Metern über dem Boden gebaut. Waren fünf Tage harte Arbeit, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Eingang ist von unten, und es hat einen Aussendurchmesser von etwa einem halben Meter. Ich habe ihn mit Zweigen, Nadeln und Blättern auf einem alten Krähennest aufgebaut. Das ist toll als Basis. Innen ist es schön ausgepolstert mit Laub und einer ganz dicken Schicht Moos. Dadurch ist er fast wasserdicht und hat noch die kuschligen Innenmasse von ca. 20 Zentimetern, ausserdem hat er noch einen zweiten Ausgang ... man weiss ja nie. Dann habe ich noch einen Schattenkobel, den nutze ich nur für die Mittagssiesta, wenn es sehr heiss ist. Den habe ich in einem alten Spechtbau eingerichtet. Und dann habe ich noch so einen kleinen Reservekobel, den habe ich ganz schnell in nur drei Tagen aufgebaut.

Im Gespräch mit NATURZYT

Eichhoernchen krahlt sich am Baum fest
Sämi Eichhörnchen ist ein sportlicher (ca. 400 Gramm schwerer und 25 Zentimeter langer) Baumakrobat, Träger von stattlichen 5 Zentimeter langen Winter-Ohrpinseln und einem 25 Zentimeter langen Puschelschwanz. Stolzer Besitzer dreier Kobel, mehrfacher Vater, Liebhaber und Sammler von Buckeckern, Haselnüssen und Fichtenzapfensamen.

WOW, DA SIND WIR JA MIT EINER WOHNUNG DIREKT BESCHEIDEN. LEBST DU DENN MIT EINER PARTNERIN ZUSAMMEN?
Gott behüte, ich bin Einzelgänger wie die meisten von uns. Zur Paarungszeit verfolgen wir Männchen die Weibchen in den Baumkronen. Die Verfolgungsjagden machen echt Spass. Sofern das Weibchen paarungsbereit ist jedenfalls, sonst kann's so richtig was auf die Mütze geben. Ich weiss noch, als ich mit elf Monaten mein erstes Weibchen jagte, habe ich ganz schön was abbekommen, aber am Ende habe ich sie doch noch rumgekriegt. Sie war toll, sie hatte ein schönes dunkelbraunes Fell mit einem weichen cremefarbenen Bauch, nicht so ein fuchs- rotes wie ich. Sie war damals schon fast zwei Jahre alt. Ich wollte bei ihr bleiben; und bin noch in ihrer Nähe rumgelungert, weil ich gesehen habe, dass manche von uns gelegentlich in Gruppen zusammenleben. Sie wollte das jedoch partout nicht, hatte wohl Angst, ich könnte unserem Nachwuchs schaden. Mann, die hat mich ganz schön weggebissen. Obwohl ich viel grösser und stärker war. Ich hatte eine echte Beisshemmung und hab mich getrollt. Nach 38 Tagen war unser Nachwuchs schon da und mit 6 Wochen schon zum ersten Mal raus aus dem Kobel. Ich habe sie aus der Ferne beobachtet. Mit 8 bis 10 Wochen suchten sie sich ihre Nahrung schon selber. Leider überleben viele das erste Jahr nicht. Aber seit damals lebe ich alleine, das ist viel friedlicher. Ausserdem brauche ich mich dann auch nicht mit anderen rumzukabbeln wegen Rangdingen und so. Und mein Wintervorrat gehört dann auch alleine mir.

SO EIN LEBEN IST SICHER NICHT EINFACH. WIE IST DAS EIGENTLICH, HABT IHR VIELE FEINDE?
Oh ja, wir haben sehr viele Feinde. Der schlimmste ist der Baummarder. Der Kerl klettert fast genau so geschickt wie wir, nur kommt der hinterhältige Kerl meist nachts und überrascht uns im Schlaf. Drum haben unsere Kobel auch zwei Schlupflöcher. Er erwischt aber meistens mehr von den langsameren Grauhörnchen. Ausserdem gibt’s da noch die Wildkatze, den Uhu, den Habicht und den Mäusebussard. Denen können wir aber oft entfliehen, indem wir spiralförmig um die Baumstämme sausen. Ausserdem können wir uns aus grosser Höhe zu Boden plumpsen lassen, ohne uns zu verletzen. Ist manchmal auch ganz nützlich. Nur sind wir leider auf dem Boden nicht so schnell, weil wir uns nur hüpfend fortbewegen. Darum muss ich immer aufpassen, ob auch grad keine Mietzekatze in der Nähe lauert, wenn ich Vorrat anlege. Wir haben sogar Feinde in den eigenen Reihen. Das grössere Grauhörnchen ist für uns auch etwas problematisch geworden, da es sich sehr stark vermehrt. Der Parapoxvirus, an welchem wir erkranken können, endet für uns oft tödlich. Grauhörnchen sind dagegen resistent, können ihn aber als Wirt verbreiten.

HAST DU NOCH ZEIT FÜR WEITERE FRAGEN? DU HAST VON WINTERVORRAT GEREDET. IHR LEGT UNSERES WISSENS JA VIELE VERSTECKE AN, SO ÄHNLICH WIE RABENVÖGEL AUCH. FINDET IHR AUCH ALLE VERSTECKE WIEDER UND HALTET IHR WINTERSCHLAF WIE IGEL, MÄUSE UND BÄREN?
Das ist schon in Ordnung, so viel Zeit habe ich noch, und falls ihr noch eine Walnuss hättet, nähme ich mir für die auch noch Zeit ... Also, wir haben zwar viele Verstecke für unseren Wintervorrat aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass wir leider nicht immer alle wiederfinden. Dafür finden wir manchmal welche, die wir gar nicht angelegt haben, und das, was wir nicht mehr finden, dient dann der Vermehrung der Pflanzen. Ist ja auch nötig. Ausserdem legen nur wir Eichhörnchen, welche die Mischwälder bewohnen, Wintervorräte an, da ja Eichhörnchen, die in reinen Nadelwäldern leben, die Zapfen stets vor der Nase hängen haben, deshalb nicht noch extra Nahrung vergraben müssen. Und Winterschlaf halten wir keinen, nur eine Winterruhe, in der wir manchmal länger nicht aus unseren Schlafkobeln kommen, wenn es sehr kalt ist. Ansonsten sind wir das ganze Jahr aktiv. Gibt es noch etwas, was ihr gerne wissen möchtet?

NUR EINES NOCH, GIBT ES NOCH IRGENDETWA, DAS WIR FÜR EUCH TUN KÖNNEN, ODER ETWAS, DAS IHR UNS GERNE MITTEILEN MÖCHTET?
Naja, etwas gäbe es da schon, es wäre schön, wenn ihr etwas mehr auf uns achten könntet. Ihr fahrt und rennt manchmal wie die Wilden durch den Wald und schreckt uns dabei auf. Das ist vor allem in den kargeren Wintermonaten recht stressig für uns Wildtiere. Bleibt bitte immer auf euren gekennzeichneten Wegen. Das hilft uns schon viel. Ausserdem wäre es schön, wenn ihr etwas mehr Dickichte stehen lassen würdet; für uns kleinen Tiere sind das gute Verstecke, und zum Beispiel Haselbüsche geben auch viel Nahrung für viele von uns. Wir können ja bis zu vier Meter weit springen, aber mit eurer maschinellen Waldbewirtschaftung verlieren wir mehr Bäume als nötig. Denkt doch vielleicht dabei auch etwas an uns, das wäre ganz toll.

LIEBER SÄMI, WIR DANKEN DIR FÜR DIE VIELEN SPANNENDEN INFORMATIONEN, DIE DU UNS GEGEBEN HAST, UND WENN DU ERLAUBST,WERDEN WIR DIR AUCH IMMER EIN PAAR NÜSSE RAUSLEGEN. WIR HOFFEN, DICH AUCH BALD MAL WIEDERZUSEHEN.
Das ist aber ganz lieb von euch. Es hat mir Spass gemacht euch etwas über mich und uns europäische Eichhörnchen zu erzählen

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NATURZYT Ausgabe März 2016, Text, Illustration Virginia Knaus Foto AdobeStock

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