Illustration einer blauen Taube im Gebüsch

Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?

Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. Naturzyt hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten.

Keine Ruine ist ohne sie komplett und in keinem Park dürfen sie fehlen. An einem Ort werden sie gefüttert, vom anderen mit Stachelbändern vertrieben, denn manch einer mag doch lieber den Spatz auf der Hand. Sie hat Noah den Ölzweig gebracht, Jason und die Argonauten über den sicheren Weg geleitet, und in ihrem weissen Federkleid ist sie ein Symbol für den Heiligen Geist. Den Prinzen in Cinderella führte sie mit «Ruckediguh» zur richtigen Braut. Sogar ein Sternbild gibt es von ihr. Vielgesichtig, vielgeschichtig und vielschichtig sind sie und unser Verhältnis zu ihr – zu unserer Taube.

Da unsere Redaktion gleich angrenzend an die Landwirtschaftszone liegt, sehen wir immer wieder verschiedene Vögel, welche sich auf den Weiden gleich neben unserem Redaktionsgebäude tummeln. So auch diesen Frühling einen ganzen Schwarm Tauben. So was hatten wir bisher noch nie. Also, was liegt da näher als ein kleines Interview mit einer dieser gurrenden Schönheiten.

Hallo, ich bin Columban Täuberich, und es ist mir ein Vergnügen, mich euch mitzuteilen.

HALLO COLUMBAN, ES IST SEHR NETT VON DIR, UNS EINBLICK IN DAS LEBEN EURER GATTUNG ZU GEWÄHREN.
Das mache ich sehr gerne, wo soll ich denn anfangen?

NAJA, AM BESTEN STELLST DU DICH ZUERST MAL VOR UND ERZÄHLST UNS VIELLEICHT, WIE UND WO IHR LEBT UND WAS IHR DEN GANZEN TAG SO MACHT.
Hmhm, also. Mein Name ist Columban. Ich bin ein Ringel-Tauber aus der Gattung der Feldtauben. Wir Taubenvögel sind mit etwa 42 Gattungen und mehr als 300 Arten auf dieser Erde vertreten.

WOW, DAS IST JA ENORM.
Ja ja, so viele. Die Körpergrössen der diversen Gattungen variieren von der Grösse einer Lärche bis hin zur Grösse eines Huhns. Wir Ringeltaubenliegen mit einer Flügellänge von ca. 35 Zentimetern und einem Gewicht von ca. 530 Gramm etwa in der Mitte. Und unsere Weibchen unterscheiden sich in der Grösse kaum von uns Männchen.

WIE IST DENN DAS, SEID IHR AUCH ZUGVÖGEL?
Nö, wir hier nicht, es gibt einige, die sind Kurzstrecken- Zieher, diejenigen, welche in etwas kälteren Gegenden leben, aber die meisten von uns bleiben ganzjährig am selben Ort, vor allem jene, die im Süden leben. Meine Schöne und ich leben jetzt schon seit 3 Jahren hier.

HEISST DAS, DASS TAUBEN AUCH MONOGAM SIND, WIE ZUM BEISPIEL SCHWÄNE?
Nicht alle, die Kurzstrecken-Zieher leben meistens in Saison-Ehen, aber die, die nicht hin- und herziehen, bleiben oft ein und demselben Partner treu. So wie ich meiner wunderhübschen Marie. Ich wäre ja schön dumm, so eine wunderbare Gefährtin einfach wieder ziehen zu lassen. Mit meinem Balzflug, bei dem ich mehrfach mit meinen Flügeln beim Hochfliegen zusammenklatsche und danach mit waagerechten Flügeln und gespreizten Schwanzfedern nach unten segle, erobere ich sie mir jedes Jahr aufs Neue. Dieses Jahr haben wir schon unser drittes Gelege zusammen.

WIE IST DAS DENN BEI EUCH? HABT IHR IMMER EIN UND DASSELBE NEST UND WO NISTET IHR?
Hm, ja wir haben Glück. Dadurch, dass wir ortsansässig bleiben, habe ich unser Revier, sprich dort, wo wir nisten, bisher halten können. Wir verteidigen nämlich nur den Ort, an dem wir nisten, als unser Revier. Wir suchen uns aber den Nistplatz an einem günstigen Standort, an dem wir auch genügend Futter für uns und unsere Nestlinge finden. Ich habe für uns einen ganz tollen Platz auf einer grossen Föhre nahe dem Weideland erobert. Der ist gut getarnt und hoch oben, sodass uns sicher keine Katze erwischt und auch kein Raubvogel an uns herankommt. Es hat hier nämlich ziemlich viele Krähen und auch Milane und dadurch, dass wir in Siedlungsnähe sind, auch viele Menschen mit Hauskatzen. Aber ich pass da schon gut auf, dass nichts passiert. Es gibt aber auch welche, die nisten in Büschen oder Hecken. Auch in Scheunen oder direkt am Boden haben andere schon genistet. Kommt halt immer darauf an, wie viele von uns am selben Ort brüten und was überhaupt vorhanden ist. In der Stadt nimmt man halt auch mal mit einem Fensterbrett vorlieb, wenn man nichts anderes findet. Unsere Nester sind relativ flach und nur mit dünnen, laublosen Ästen zusammengefügt. Unseres haben wir auf einem ehemaligen Eichelhäher- Nest aufgebaut. Ich habe Marie die dünnen Zweige gebracht und sie hat diese kunstvoll auf dem ausgedienten Hähernest zusammengeflochten. So haben wir jetzt für unsere Kleinen ein kuscheliges und warmes Nest, in dem wir sie gefahrlos aufziehen können. So viel Glück hat nicht jeder.

blaugraue Taube auf einem Baum
Im Gespräch mit NATURZYT Columban Täuberich, ein stattlicher Tauber aus der Familie der Columbidae. Stolzer Nachfahre einer Ringeltaube. Liebt Balzrituale und ernährt sich rein pfl anzlich. Ist seit 3 Jahren Maries treuer Brutgefährte und hofft auf noch mindestens 10 weitere Jahre.

UND WAS STEHT DENN AUF EUREM SPEISEPLAN? MAN SIEHT JA OFT, WIE MENSCHEN EUCH MIT TROCKENEM BROT FÜTTERN. MÖGT IHR DENN DAS GERNE?
Naja, eigentlich sind wir nicht so heikel und auch sehr anpassungsfähig, nicht nur was unsere Wohngelegenheit, sondern auch was unsere Nahrung betrifft. Wir sind vorwiegend Vegetarier. Wir mögen Sämereien und Knospen, Eicheln und Bucheckern, aber auch Blüten und Beeren, wenn wir solche finden. Ab und an verspeisen wir auch kleine Schnecken, Schildläuse, Regenwürmer oder Raupen, um unseren Kalk- und Eiweissbedarf zu decken. Unsere Jungen füttern wir dann beide gemeinsam mit unserer Kropfmilch, so was machen nur wir Tauben, ebenso wie mit pflanzlicher Nahrung, welche wir fressen. Es gibt aber viele, vor allem die, welche in der Stadt leben, die ernähren sich nur von Brot. Das geht also auch. Du siehst, wir sind ziemlich anpassungsfähig und auch überhaupt nicht heikel.

JA, DAS SEHE ICH WOHL. DU SAGTEST, IHR HÄTTET SCHON ZUM DRITTEN MAL ZUSAMMEN EIN GELEGE. WIE VIELE EIER HABT IHR DENN JEWEILS?
Letztes Jahr hatten wir 2 im Frühling und eines im Herbst. Diesen Frühling hatten wir auch nur eines. Im Herbst gibt’s dann bestimmt wieder 2. Einzelne Eier sind eher selten, meistens haben Tauben immer 2 Eier. Die sind wunderschön elliptisch und mattweiss glänzend. Nach etwa 17 Tagen schlüpft en dann unsere Nestlinge aus und mit etwa 35 Tagen waren unsere Jungvögel bereits voll flugfähig. Das ist der Zeitpunkt, an dem wir ihnen zeigen wo wir unser Fressen finden und auf worauf zu achten ist. Danach sind sie auf sich gestellt. Suchen sich nach der Mauser ein Revier und balzen um ein Weibchen. Der ewige Kreislauf beginnt nun auch in ihrem Leben.

HABT IHR SCHON NESTLINGE VERLOREN, ODER HABT IHR BIS JETZT ALLE DURCHGEBRACHT?
Wir hatten bisher Glück, aber wir kennen solche aus unserer Schar, welche wir regelmässig beim Fressen auf der Weide treffen, die haben schon einige Nestlinge verloren. Meistens passiert das, wenn die Nester nicht gut genug geschützt sind und es im Frühling noch nicht genug zu essen gibt, sodass beide Elternteile lange wegbleiben müssen, um genügend Nahrung zu finden. Dann haben schon mal Krähen oder andere Beutegreifer sich so ein kleines Würmchen geholt und es gefressen.

DAS IST ABER TRAURIG.
Ja, das ist schon traurig, aber es gehört halt auch zu unserem Leben dazu. Alles ist ein Kreislauf. Wir kommen und wir gehen. Wir fressen den Wurm und die Krähe frisst uns. Stell dir doch mal vor, wir hätten niemanden, der uns fressen würde. Dann würden wir uns vermehren und vermehren, wir würden mit der Zeit alle Bucheckern und Eicheln fressen, ebenso die Sämereien und die Beeren. Das hiesse, dass es keine neuen Eichen und Buchen mehr geben würde und auch keine neuen Blumen und Sträucher mehr, da wir ja alles abfrässen was neues Leben verspräche. Irgendwann würden andere Tiere aussterben, weil wir ihre Nahrung wegfressen und nichts mehr nachwachsen kann. Und dann, irgendwann, würden wir auch anfangen auszusterben, weil wir uns unsere eigene Nahrung weggefressen haben. Dazu würde es kommen, wenn der Kreislauf des Lebens und der Natur unterbrochen werden würde. So was wollen wir ganz bestimmt nicht. Das wäre furchtbar. Deshalb leben wir mit unseren sogenannten Fressfeinden und machen das Allerbeste aus unserem Leben, und wenn wir es so richtig gut machen und uns Mühe geben, dann können wir sogar vielleicht 17 Jahre alt werden. Wer weiss, was uns die Zukunft bringt.

ICH ZIEHE DEN HUT VOR DEINER WEISHEIT, COLUMBAN. WENN ICH DIR DA SO ZUHÖRE, FRAGE ICH MICH, WELCHER FRESSFEIND UNS MENSCHEN DANN WOHL EINHALT IN UNSEREM ZERSTÖRUNGSWERK GEBIETEN WIRD?
Ich würde sagen, das macht ihr schon selbst. Und wenn nicht, dann ist es wohl um uns alle geschehen. Macht das Beste aus eurer Zeit auf unserer Erde, achtet auf sie und ehrt sie. Lebt in Einheit mit ihr und seid ein Teil des ewigen Kreislaufs, dann klappt das schon. Seid zufrieden mit dem, was euch die Erde gibt. Ihr braucht nicht noch mehr, ihr habt doch schon alles, ihr müsst nur genauer hinschauen.

DAS IST EIN GUTER RATSCHLAG VON DIR, COLUMBAN

WIR TUN UNSER BESTES, UM ES ZU BEHERZIGEN. WIR DANKEN DIR FÜR DAS AUFSCHLUSSREICHE GESPRÄCH UND WÜNSCHEN DIR UND MARIE NOCH VIELE WUNDERBARE JAHRE AUF UNSERER SCHÖNEN ERDE.
Ich danke euch auch, dass ihr mir Gehör geschenkt habt. Manchmal tut es gut, die Welt von einer anderen Warte aus zu sehen. Ich wünsche euch ebenfalls noch viele schöne Augenblicke auf unser aller Welt

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NATURZYT Ausgabe Juni 2019, Text, Foto, Illustration Virginia Knaus

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