Holunderstrauch mit weissen Blüten im Frühling

Als lebende Hausapotheke beschenkt uns der Holunder gleich zweimal im Jahr mit seinen Heilkräften: im Frühsommer mit zart duftenden cremeweissen Blütensternen und im Herbst mit glänzenden violettschwarzen Beeren.

Der schwarze Holunder wird bis zu 7 Meter hoch

Den Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) finden wir an Waldrändern, Hecken, auf sonnigen Waldlichtungen, Schuttfluren, bei alten Scheunen, Stallungen, an alten Hausmauern. Er wächst im Flachland und im Gebirge bis auf 1500 m ü. M. Als sommergrüner Strauch oder Baum von bis zu 7 Meter Höhe zeigt er eine breitausladende Krone mit bogenförmigen Ästen. Junge Zweige sind graubraun mit charakteristischen grossen, etwas länglichen Korkporen (Korkwarzen). Das sind sichtbare Atmungsorgane. Die Rinde eines alten Holunders sieht zerfurcht aus. Die Äste sind im Inneren mit weissem Mark gefüllt, welches sich leicht herauskratzen lässt. Die grünen Blätter sind gegenständig, gefiedert, meist mit 5 Teilblättern, diese sind breit-lanzettlich, zugespitzt und an den Rändern fein gezähnt. Die Blätter verströmen beim Zerreiben einen charakteristischen Geruch und schmecken leicht bitter. Die weiss-gelblichen Blüten bilden meist überhängend schirmartige Blütenstände. Die Früchte sind kugelig, violettschwarz mit stark färbendem tiefrotem Saft .

Der deutsche Name Holunder stammt vom althochdeutschen «Holuntar», was hohler Baum bedeutet, da sich die Zweige leicht aushöhlen lassen. Der Gattungsname «Sambucus» soll sich vom griechischen Wort «Sambyke» ableiten. So hiess in der Antike eine aus den hohlen Ästen des Holunders geschnitzte Flöte. Der Beiname «nigra» bezieht sich auf die schwarzen Beeren. Als Volksnamen sind Holderbusch, Flieder, Altholder, Holder, Kaikenbusch, Elder, Holle, Schwitztee, Husholder bekannt.

Weisse Blüte des Holunder

Botanisch betrachtet gehört der Schwarze Holunder zu den Moschuskrautgewächsen (früher zu den Geissblattgewächsen). Zwei bei uns vertretene Geschwister des Schwarzen Holunders sind der Rote oder Trauben-Holunder (Sambucus racemosa) und der Zwergholunder oder Attich (Sambucus ebulus). Der Rote Holunder unterscheidet sich vom Schwarzen Holunder durch einen traubenförmigen Blütenstand und rote Beeren. Die Blüten erscheinen gleichzeitig mit den Blättern (beim Schwarzen Holunder zeigt sich zuerst das Blätterkleid und erscheinen später die Blüten). Der Zwergholunder ist als 120 Zentimeter hohe Staude kleiner als der Schwarze Holunder und verholzt nicht. Die Staubblätter der weisslichen Blüten sind dunkelrot (beim Schwarzen Holunder gelb). Die Blätter des Attich besitzen einen unangenehmen Geruch, weswegen er auch Stinkholunder genannt wird. Die schwarzen Früchte des Zwergholunders sind giftig.

Holunder eine heilige und schützende Pflanze

Schon in alter Zeit galt der Holunder als heilige Pflanze und wurde gern in der Nähe der Häuser gepflanzt. In ihm wohnte ein guter Pflanzengeist, der Haus und Menschen beschützte. Eine Geschichte der alten Baumgöttin ist das Grimm’sche Märchen von Frau Holle. Der Holunderbaum wurde als Baum der Ahnen und Tor zur Anderswelt angesehen. Das englische Wort für den Holunder «Elderberry» (Elder bedeutet die Alten, die Ahnen) erinnert noch an diesen Glauben. Bis in die Neuzeit gab es den Brauch, vor dem Holunder den Hut zu ziehen, und er durfte nicht mutwillig gefällt werden.

Holunder ernten und aufbewahren

Der Holunderbusch schenkt zweimal im Jahr reiche Ernte: Im Frühsommer zeigen sich die schirmartigen Blütenstände mit ihren cremeweissen Blütensternen, die einen süsslichen Duft verströmen. Zur Erntezeit der Blüten von Mai bis Juni werden die ganzen Blütenstände vormittags abgeschnitten und am Stängel hängend an einem schattigen, luftigen Ort getrocknet. Nach dem Trocknen schneidet man die groben Stängel ab, und die kleinen Blüten werden aromageschützt in einem dunklen Glas aufbewahrt.

Während des Sommers reifen dann die grünen Beeren zu glänzenden, violettschwarzen Früchten mit tiefrotem Saft . Die vollreifen Beeren werden von August bis September geerntet und zu Gelee, Holunderkompott oder Saft verarbeitet.

Holunder in der Volksmedizin

In der Antike wurden Blüten, Beeren, Blätter und Wurzeln des Holunders therapeutisch verwendet. Diese Nutzung hat sich über viele Jahrhunderte fortgesetzt. So besagt eine alte Volksweisheit über den Holunder:

«Oh, wer zählt die Wunder alle
dieses Bäumchens wohl?
Rinde, Beere, Blatt und Blüte,
jeder Teil ist Kraft und Güte,
jeder segensvoll!»

Hippokrates empfahl Holunderbeeren als abführendes und harntreibendes Mittel. Für Pfarrer Künzle war der Holunder eine reine Gottesgabe, und er meinte, wir seien uns seiner Heil- und Nährkraft viel zu wenig bewusst. Für ihn waren alle Teile des Holunders brauchbar und wirksam: Wurzeln, Rinde, Blätter, Blüten und Beeren. Die Wurzelabkochung empfahl er Korpulenten, die gerne wieder schlank werden möchten. «Die Blätter geben uns den einfachsten und besten Blutreinigungstee», so Pfarrer Künzle. Den Tee aus den getrockneten Blüten empfahl Künzle bei Erkrankungen der Atmungsorgane sowie bei Nieren- und Blasenbeschwerden. Und äusserlich als Zusatz zu Umschlägen, Inhalationen und Gurgelwasser. Die reifen Beeren nutzte man früher zur Färbung von Stoff en, Haaren und Lebensmitteln.

Schwarze Beeren des Holunder

Holunder in der Hausapotheke

Der Holunder mit seinem enormen Reichtum an Wirkstoffen hilft vorbeugend und heilend bei vielen Beschwerden und Erkrankungen. Er ist somit ein ideales Hausmittel.

Holunderblüten enthalten Pflanzenschleime, Gerbstoffe, ätherisches Öl und Flavonoide. Die Blüten wirken bei Fieber und Infekten schweissfördernd, steigern die Abwehrkräfte und helfen bei starker Verschleimung, Husten und Stirnhöhlenentzündung. Ausserdem wirken sie leicht harntreibend, stoffwechselfördernd und gelten in der Volksmedizin als gutes Mittel gegen Rheuma und Neuralgien.

Die reifen Beeren enthalten Vitamin A, nervenwirksame B-Vitamine, Vitamin C, Gerbstoffe, Fruchtsäuren, Mineralsalze, Flavonoide, ätherisches Öl. Die Gerbstoffe in den Beeren sorgen dafür, dass die zahlreichen Vitamine auch nach dem Erhitzen erhalten bleiben. Holunder beeren wirken immunstärkend und gegen Viren. Stoffe der Holunderbeeren docken sich an Virusrezeptoren an, so können sich die Viren im Organismus nicht mehr festhalten und werden ausgeschieden. Holunderbeeren werden in der Volksmedizin auch bei rheumatischen und Nervenschmerzen ein gesetzt.

Die Rinde und die Wurzel wirken stark harntreibend und entwässernd. Die Blätter haben ebenfalls eine harntreibende Wirkung, allerdings weniger drastisch.

Das Wesen des Holunders

Ein junger Holunderzweig ist grün, wächst sehr schnell und senkrecht nach oben. Im zweiten Jahr bekommt er seine feste, ihn schützende Rinde. Im dritten Jahr neigt er sich zu Boden. Aus den alten gebeugten Zweigen, wachsen junge, senkrecht stehende Triebe. Ältere Holunder sehen deshalb oft aus wie Tore, die uns einladen, sie zu durchschreiten. Der Holunder unterstützt uns auf unserem Entwicklungsweg bei Veränderungen, er hilft uns, zu reifen und Altes loszulassen, damit wir Neues in unserem Leben begrüssen dürfen. Sich von alten Denkmustern oder überholten Glaubenssätzen zu verabschieden, braucht eine Portion Mut, der Holunder begleitet uns dabei mit seiner mütterlichen Schutzkraft und gibt uns seinen Segen.

Wichtig zu Wissen:

Es ist zu beachten, dass in allen grünen Teilen, unreifen Beeren wie auch in den Samen der reifen Früchte, in der Rinde sowie in den Wurzeln leicht giftige Stoff e enthalten sind und Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall hervorrufen können. Roh sollte man Holunder, ausgenommen die Blüten in kleinen Mengen, daher nicht geniessen. Beim Erhitzen und Trocknen werden diese Stoff e abgebaut. Aus geschmacklichen Gründen sollten die Stiele bei der Verarbeitung von Blüten und Beeren entfernt werden.

Holunder in der Küche

Die Blüten werden frisch für Sirup, Limonade, Bowle, Likör, Essig, Wein, Gelee, Sorbets, Cremes oder zum Ausbacken verwendet. Getrocknete Blüten für Tee, Brot und Gebäck. Aus den frischen Früchten können Saft , Sirup, Likör, Gelee, Mus, Kompott, Saucen gezaubert werden.

Holunder in der Kräuterapotheke

Die Blüten werden für Tee, Sirup, Öl und in Salben eingesetzt.

Holunderblüten-Tee

Zur Immunstärkung, Blutreinigung oder als Schwitztee. 1 TL getrocknete (von den Stielen befreite) Holunderblüten pro Tasse mit kochendem Wasser übergiessen, 5–10 Minuten zugedeckt ziehen lassen, abseihen. Mehrmals täglich 1 Tasse trinken. Vor einem Saunabesuch erleichtert die schweiss treibende Wirkung des Holunderblütentees das Schwitzen und unterstützt die Entgift ung über die Haut.

Holunderblätter-Tee zur Blutreinigung (nach Pfarrer Künzle)

Man nimmt einige Holunderblätter, schneidet sie klein und lässt den Tee 10 Minuten sieden. Wer durch eine Frühlingskur Säfte und Blut reinigen will, nehme täglich 1 Tasse Holunderblättertee, morgens 1 Stunde vor dem Frühstück. Diese Kur kann während 4 bis 5 Wochen durchgeführt werden.

Holunderblüten-Tee zur äusseren Anwendung

Bei Husten, Schnupfen und Nasennebenhöhlenentzündung kann Holunderblütentee zur Inhalation verwendet werden. Ausserdem wirkt er bei müden und überanstrengten Augen beruhigend und entzündungshemmend: in kühlem Tee getränkte Wattepads auf die Augen legen.

Holunderblüten-Öl

5 g getrocknete oder 10 g frische Holunderblüten mit 100 ml Oliven-, Sonnenblumenoder Mandelöl mischen. 2 Wochen bei Zimmertemperatur stehen lassen, gelegentlich schütteln. Danach durch ein Leinentuch oder Teefilter abfiltrieren. In einer dunklen Flasche lagern. Holunderblütenöl beruhigt empfindliche und gereizte Haut und eignet sich zur Nachbehandlung von Sonnenbrand.

Holunder-Beerensaft

1 kg entstielte Holunderbeeren im Dampfentsafter ohne Zucker entsaften. Den aufgefangenen Saft mit 100 g Zucker und dem Saft einer unbehandelten Zitrone mischen, nochmals aufkochen und heiss in kleine vorgewärmte Flaschen füllen, Flaschen sofort verschliessen. Den Saft trinkt man entweder pur oder verdünnt mit Wasser.

Quellen und weiterführende Literatur
K. Greiner, Bäume in Küche und Heilkunde.
H. Hatzfeld, Heilpfl anzen als Wegbegleiter.
Joh. Künzle, Das grosse Heilkräuterbuch.

Die Anwendung der angeführten Rezepturen erfolgt auf eigene Verantwortung und ersetzt keinen Arztbesuch. Eine Haftung der Verfasserin bzw. der Redaktion ist ausgeschlossen.


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Ernestine Astecker ist kant. appr. Naturheilpraktikerin und arbeitet in eigener Gesundheitspraxis in Fruthwilen, im Thurgau. In Kräuterkursen und auf Kräuterspaziergängen gibt sie gerne ihre Begeisterung, ihr Wissen und ihre Erfahrung über Heilpflanzen weiter.
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NATURZYT Ausgabe September 2017, Text Ernestine Astecker, Foto AdobeStock

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