Der Grosser Abendsegler im Flug in der Nacht

Wer jetzt in der lauen Dämmerung am baumbestandenen Ufer einen Spaziergang unternimmt, kann mit etwas Glück ein feines, hohes Zwitschern hören. Es handelt sich vermutlich um balzende Abendseglermännchen, die um die Gunst vorbeifliegender Weibchen buhlen.

Während Menschen vielleicht eher bereit sind, sich im Frühjahr zu verlieben, finden Balz und Paarung bei Fledermäusen im Spätsommer und Herbst statt. Unter den 30 einheimischen Fledermausarten ist das Paarungsverhalten des Grossen Abendseglers wohl am besten erforscht.

Die mehrheitlich einzelgängerischen Männchen dieser grossen Fledermausart suchen sich ab Mitte August einen geeigneten Unterschlupf, von dem sie sich versprechen, dass er attraktiv für paarungswillige Weibchen ist. Meist ist es eine Baumhöhle oder ein Fledermauskasten an einem hohen Baum, manchmal auch ein Rollladenkasten an einem Gebäude. Häufig befinden sich diese Balzquartiere in den Jagdgebieten der Weibchen oder in deren Nähe. Bereits am Nachmittag rufen die Junggesellen lautstark und unermüdlich aus ihren Balzhöhlen.
Lässt sich ein Weibchen von dem betörenden Gesang bezirzen und fliegt die Baumhöhle an, wird es vom Männchen mit einem Balztriller freudig begrüsst. Über ein Dutzend Weibchen kann ein Männchen in seinen Harem aufnehmen und begatten. Die Weibchen indes ziehen nach dem Schäferstündchen oft weiter zum nächsten Männchen. So konnten denn bei Zwillingen auch schon unterschiedliche Väter nachgewiesen werden.

Grosser Abendsegler schaut aus Baumhöhle heraus
Grosse Abendsegler singen bei der Balz oft aus Baumhöhlen.

Zur Balzzeit haben Abendseglermännchen zwei auf allend helle Polster im Mund, die so genannten Buccaldrüsen. Deren Funktion ist nicht restlos geklärt, da es sich nicht um typisches Drüsengewebe handelt, wie man es von anderen Säugetierarten her kennt. Vermutlich dienen die Buccaldrüsen als optische Merkmale, um sich nähernden Weibchen die Paarungsbereitschaft anzuzeigen.

Die Fledermäuse speichern die Spermien in der Gebärmutter

Im Unterschied zu vielen anderen Artgruppen findet bei unseren Fledermäusen nach der Kopulation zeitnahkeine Befruchtung statt. Die Spermien werden in der Gebärmutter gespeichert– und das sogar über den ganzen Winterschlaf hinweg. Spermium und Eizelle verschmelzen erst im Frühjahr miteinander, danach beginnt der Embryo zu wachsen, bis im Frühsommer die Jungen zur Welt kommen.

Im Schlaf sparen die Fledermäuse Energie

Im Unterschied zu anderen Säugetierarten gibt es bei Fledermäusen aber keine festen Tragzeiten. Unsere heimlichen Königinnen der Nacht können nämlich bei Nahrungsengpässen bzw. bei schlechter Witterung eine sogenannte Tagesschlaflethargie durchführen: Sie kühlen dazu ihre Körpertemperatur auf wenige Grad über die Umgebungstemperatur ab. Dadurch lässt sich viel Energie sparen, denn gerade kleine Tiere verwenden wegen ihrer im Vergleich zum Volumen grossen Körperoberfläche viel Energie, um die normale Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Je kühler die Körpertemperatur in Tagesschlaflethargie, desto grösser ist die Energieersparnis. Das Problem dabei: Nicht nur die Energieumsatzrate wird gesenkt, sondern es wird auch das Tempo der Jungenentwicklung reduziert. Damit die Trächtigkeit voranschreitet, ohne viel Energie für die Erhaltung der Körpertemperatur aufzuwenden, suchen sich die trächtigen Weibchen deshalb warme Quartiere und bilden Kolonien, um sich gegenseitig zu wärmen und möglichst wenig Tagesschlaflethargie durchzuführen. Man nennt diese Quartiere Wochenstuben. Die Männchen hingegen bevorzugen in dieser Zeit eher kühle Quartiere, um eine effiziente Tagesschlaflethargie durchzuführen.

Zwergfledermaus im Sonnenlicht mit offenem Mund
Die Männchen der Zweifarbfledermaus singen nicht nur, sondern imponieren den Weibchen auch mit Showflügen.

Fledermäuse sind in der Tagesschlaflethargie langsam und wehr- und hilflos

Wer eine Fledermaus in dieser Tagesschlaflethargie findet, erlebt sie als lethargisch und langsam. Wird sie in diesem Zustand gestört, kann sie angesichts einer eventuellen Bedrohung nur das Maul aufreissenoder fauchen, ansonsten ist sie aber hilflos, bis sie ihre Normaltemperatur erreicht hat. Diese erzielt sie durch Muskelzittern, ganz ähnlich wie wir zittern, wenn wir zu kalt haben. Nach ein paar Minuten ist die Betriebstemperatur erreicht und unsere Fledermaus wieder agil und flugbereit.

Unterschiedliches Balz und Paarungsverhalten von Fledermausarten

Balz und Paarung spielen sich bei unterschiedlichen Fledermausarten etwas anders ab. So balzen die Männchen der Zweifarbfledermaus nicht nur um die Gunst von Weibchen, sondern führen zusätzlich noch Showflüge durch. Bei Arten der Gattung Myotis wie der Wasserfledermaus, dem Mausohr oder der Bechsteinfledermaus findet auf den ersten Blick keine eindeutige Balz statt. Die Tiere sammeln sich im Herbst oft in grosser Zahl vor Höhleneingängen, wozu sie aus grosser Entfernung hergeflogen sein können. In der Dämmerung schwärmen sie lange vor diesen Höhlen. Dabei finden nachweislich auch Paarungen statt.

Die meisten Wildtiere paaren sich im Frühling, die Fledermäuse im Spätsommer und Herbst

Seien es Vögel, Reptilien, Amphibien oder auch Säugetiere – die meisten einheimischen Tierarten paaren sich im Frühjahr. Fledermäuse und ein paar andere Tierarten haben Balz und Paarung hingegen in den Spätsommer und Herbst verlagert. Aus evolutiver Sicht ist diese Strategie sinnvoll: Durch die Vorverlagerung der Paarungszeit muss nach dem langen Winterschlaf im Frühjahr keine Zeit für die Partnersuche aufgewendet werden. Bei den Weibchen kann sofort die Trächtigkeit einsetzen. Dadurch ist es möglich, die Jungenaufzucht in den Zeitraum mit dem höchsten Nahrungsaufkommen, also in den Frühsommer, zu legen.

Wasserfledermaus bei Nacht mit künstlichem Licht an Baum
Wasserfledermäuse schwärmen vor Höhlen, wo auch Paarungen stattfinden. Eine eigentliche Balz ist aber oft nicht beobachtbar.

Aber auch aus energetischer Sicht macht die Verlagerung der Paarung in den Spätsommer und Herbst für Fledermäuse Sinn: Während die Weibchen im Frühjahr und Sommer viel Energie in den Nachwuchs investieren, können sie sich im Herbst unentbehrliche Fettreserven für den Winterschlaf anfressen. Die Männchen hingegen haben den grössten Energieverbrauch zur Balzzeit, im Frühjahr und Sommer hingegen ist er deutlich geringer als bei den Weibchen. Eventuell damit sich die Männchen auch noch ausreichend Fettreserven für den Winterschlaf anfressen können, sie sich also nicht komplett mit der Balz verausgaben, ist ihr Spermienvorrat aber begrenzt. Die Spermienbildung wird nämlich bereits im Hochsommer abgeschlossen. Für die Begattungen müssen die bestehenden Spermienvorräte reichen.


Die Stiftung Fledermausschutz

Das Hauptanliegen der Stiftung Fledermausschutz ist die Sympathiewerbung für Fledermäuse, denn nur wer Fledermäuse kennt, kann Fledermäuse schätzen und schützen. Die Stiftung Fledermausschutz ist die Drehscheibe für fledermauskundliige Informationen in der Deutschschweiz und im Tessin. Sie berät Behörden, Fachpersonen und die Bevölkerung bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Schutzbestimmungen. Am Zoo Zürich unterhält sie die Ausstellung «Fledermaus-Welt» und bietet für die interessierte Bevölkerung zahlreiche Ausbildungslehrgänge und Events an, um Fledermäuse hautnah erleben zu können. Die Stiftung Fledermausschutz betreibt mit Unterstützung des Zoos Zürich und des Zürcher Tierschutzes das Fledermausschutz-Nottelefon und die Fledermaus-Notpflegestation. Darüber hinaus engagiert sie sich für die Umsetzung konkreter Schutzprojekte. Helfen Sie uns, unseren Fledermäusen zu helfen!
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Weitere Informationen zu unseren Fledermäusen

Fledermäuse schützen: Eine Ode an die Fledermaus

Fledermäuse schützen: Wenn Jungtiere vom Himmel fallen

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NATURZYT Ausgabe September 2022, Text Hubert Krättli, Fotos Stiftung Fledermausschutz

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