Langohrfledermaus lächelt mit ihren grossen Ohren vom Holzstamm

Fledermäuse leben heimlich – und sind uns deshalb oft etwas unheimlich. Auch an Covid sollen sie schuld sein. Doch wer Fledermäuse kennt, erblickt die kleinen Insektenvertilger mit anderen Augen.

Ob Verkörperung des Bösen im Mittelalter, Symbol des Glücks in China, als blutrünstiger Graf Dracula oder dunkler Rächer Batman – seit jeher bewegen Fledermäuse uns Menschen. Allzu oft sind die kleinen Flatterer mit negativen Emotionen behaftet, denn Fledermäuse leben im Verborgenen, sie entziehen sich unserer Wahrnehmung. Doch was wir nicht begreifen können, das macht uns oft unbegründet Angst.

Fledermäuse haben Knopfaugen und riesige Ohren

Nach einer Beratung durch das Fledermausschutz-Nottelefon bringt Frau Meier in einer Schachtel eine Fledermaus in Not an die Fledermaus-Notpflegestation am Zoo Zürich. Sie hat das kleine Geschöpf hilflos am Boden in der Nähe eines Bauernhauses gefunden. Verzückt berichtet sie, dass sie nicht gewusst habe, dass Fledermäuse derart klein sind, so flauschig und herzig. Die schwarzen Knopfaugen, und erst diese riesigen Ohren, die ja fast so lang wie der Körper sind. Während sich unsere Tierärztin in der Notpflegestation sofort um die hilfsbedürftige Fledermaus kümmert, erklärt die Tierpflegerin.

Nachfalter und andere Insekten
Langohren tragen ihre Beute zu Frassplätzen. Unter ihnen findet man abgebissene Flügel von Faltern.

Weltweit gibt es über 1500 Arten, in der Schweiz sind es 30 verschiedene Fledermausarten

«Was Sie gefunden haben, ist ein Braunes Langohr, eine seltene Fledermausart, deren Bestände besonders im Schweizer Mittelland zurzeit leider abnehmen.» 30 verschiedene Fledermausarten gibt es allein in der Schweiz. Sie stellen damit die grösste Gruppe einheimischer Säugetierarten. Allerdings haben nicht alle Arten derart auffällig riesigen Ohren wie Langohren.

Langohr Fledermaus kopfüber hängend im Schlaf
Im Winterschlaf werden die riesigen Ohren unter die Flügel geklemmt. Sichtbar ist nur der Ohrdeckel.

Weltweit kommen über 1500 Fledermausarten vor, und einige von ihnen hat man noch nicht einmal entdeckt. Die unglaubliche Artenvielfalt lässt sich dadurch erklären, dass sich Fledermäuse eine ökologische Nische erschlossen haben, die anderen fliegenden Insektenfressern unzugänglich bleibt: die Nacht. Während es für Vögel nachts wegen des fehlenden Lichts kaum möglich ist, Insekten zu erbeuten, hat sich bei Fledermäusen ein einzigartiges System entwickelt, um selbst bei absoluter Dunkelheit zielsicher von A nach B zu fliegen: das Echoortungssystem. Dabei stossen sie durch den Mund oder die Nase kurze Rufe aus. Treff en die Schallwellen auf einen Gegenstand, werden sie reflektiert. Die Ohren empfangen das Echo und das Gehirn wertet es aus. Selbst kleinste Strukturen bis zur Dicke eines Haares können so wahrgenommen werden.

Fledermäuse haben hohe Lebensraumansprüche

«Ja und warum sind denn Fledermäuse überhaupt bedroht?», wirft Frau Meier ein. Gemäss der aktuellen Roten Liste steht bereits die Hälfte der einheimischen Fledermausarten auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Fledermäuse stellen hohe Ansprüche an ihre Lebensräume. Tagsüber brauchen sie geeignete Fledermausquartiere. Diese variieren je nach Jahreszeit und Geschlecht. Besonders empfindlich sind sie in ihren Wochenstuben, den Quartieren von Trächtigkeit, Geburt und Jungenaufzucht, denn hier können Hunderte Tiere eine Kolonie bilden. Nachts benötigen Fledermäuse geeignete Jagdgebiete, und viele Arten sind darüber hinaus auf nachtdunkle Strukturen angewiesen, denen sie vom Quartier ins Jagdgebiet folgen. Das macht sie in vielerlei Hinsicht anfällig gegenüber Umweltveränderungen: Die Ausräumung der Landschaft, übermässiger Einsatz von Pestiziden, giftige Holzschutzmittel, Lichtverschmutzung, Strassenverkehr, Windenergieanlagen oder unsachgemässe Renovationen an Gebäuden mit Fledermausquartieren können Fledermäuse gefährden. Aus diesen Gründen sind alle Fledermausarten in der Schweiz und Europa geschützt.

Effiziente Insektenvertilger - eine Wasserfledermaus erbeutet pro Nacht über 2000 Mücken

Nebst der Faszination durch ihre akrobatischen Flugkünste und die Echoorientierung erbringen Fledermäuse aber auch riesige Ökosystemleistungen für uns Menschen: Eine Wasserfledermaus erbeutet pro Nacht 2000 bis 3000 Mücken und andere kleine Insekten. Unser Langohr, das sich auf grössere Falter spezialisiert hat, bringt es auf über ein Dutzend Beutetiere. Bis zur Hälfte des eigenen Körpergewichtes verzehren die kleinen Kobolde jede Nacht. Jährlich vertilgen Fledermäuse Hunderte Tonnen von Insekten nur in der Schweiz allein, darunter auch viele Schadinsekten. Alleine die wirtschaftliche Wertschöpfung wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt – pro Jahr!

Langohr Fledermaus aus Holzhölle schauend
Langohren bringen ihre Jungen oft in Baumhöhlen oder Dachstücken zur Welt.

Ist die Fledermaus an Covid-19 Schuld?

Und wie ist das jetzt mit Covid-19? Infolge einschlägiger Medienberichte wurden Anfang 2020 massenweise Fledermäuse getötet. Selbst in der aufgeklärten Schweiz erreichten uns Hunderte Anrufe verunsicherter Bürger/innen, ob denn jetzt Fledermäuse wirklich derart gefährlich seien.

Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass ein nicht übertragbarer Vorläufer von SARS-CoV-2, dem Verursacher der Covid-Erkrankungen, ursprünglich von einer chinesischen Fledermausart stammt. Wie das Virus mutierte und schliesslich auf den Menschen gelangte, wird nachneusten Erkenntnissen wohl nicht mehr  eruiert werden können. Es sei sowohl möglich, dass das mutierte Virus aus einem Labor entwichen sei, als auch, dass es auf natürliche Weise über einen oder mehrere Zwischenwirte zum Menschen gefunden habe. Fest steht aber: Sars-CoV-2 wird von Mensch zu Mensch übertragen und nicht von Fledermaus zu Mensch.

In der Schweiz hat bereits 2019 das Virologische Institut der Universität Zürich mehrere tausend einheimische Fledermäuse untersucht. Sars-CoV-2 wurde erwartungsgemäss nicht gefunden. Grundsätzlich stellen unsere einheimischen Flatterer keine Gefahr dar und ein Fledermausquartier am Haus ist absolut ungefährlich. Fledermäuse sind aber Wildtiere und keine Kuscheltiere. Es sollen deshalb ausschliesslich Fledermäuse in Not angefasst werden, und dies ausschliesslich mit einem Handschutz. Denn eine verängstige Fledermaus kann zubeissen. Das ist nicht nur schmerzhaft , sondern es könnten, wie bei jedem anderen Wildtier auch, Krankheiten übertragen werden. Ein respektvoller Umgang mit unseren heimlichen Königinnen der Nacht gewährleistet ein glückliches Zusammenleben unter einem Dach.

Unterdessen hat unsere Tierärztin die medizinische Untersuchung des Braunen Langohrs abgeschlossen. Sie konnte glücklicherweise keine Verletzungen feststellen. Das Tier ist mit einem Gewicht von 6 Gramm aber stark untergewichtig. Nach ein paar Tagen in unserer Pflegestation und einem Flugtraining kann unser Findling wieder zurück in die Natur entlassen werden. Da Langohren standorttreu sind, muss dies am Ort des Auffindens erfolgen. Frau Meier ist derart begeistert, dass sie «ihr» Langohr gleich selber wieder abholt und nach einer ausführlichen Einweisung selbst freilassen möchte. Sie berichtet noch am selben Abend, wie das kleine Tier seine riesigen Flügel entfaltet, scheinbar schwerelos abhebt und in die Dunkelheit entschwindet. Ein unvergleichliches Erlebnis.

Die Stiftung Fledermausschutz

Das Hauptanliegen der Stiftung Fledermausschutz ist die Sympathiewerbung für Fledermäuse, denn nur wer Fledermäuse kennt, kann Fledermäuse schätzen und schützen. Die Stiftung Fledermausschutz ist die Drehscheibe für fledermauskundliche Informationen in der Deutschschweiz und im Tessin. Sie berät Behörden, Fachpersonen und die Bevölkerung bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Schutzbestimmungen. Am Zoo Zürich unterhält sie die Ausstellung «Fledermaus-Welt» und bietet für die interessierte Bevölkerung zahlreiche Ausbildungslehrgänge und Events an, um Fledermäuse hautnah erleben zu können. Die Stiftung Fledermausschutz betreibt mit Unterstützung des Zoos Zürich und des Zürcher Tierschutzes das Fledermausschutz-Nottelefon und die Fledermaus-Notpflegestation. Darüber hinaus engagiert sie sich für die Umsetzung konkreter Schutzprojekte. Helfen Sie uns, unseren Fledermäusen zu helfen!
Spendenkonto: PC 80-7223-1, IBAN CH71 0900 0000 8000 7223 1
Stiftung Fledermausschutz
Zürichbergstrasse 221
8044 Zürich
Sekretariat: 044 254 26 80
Fledermausschutz-Nottelefon: 079 330 60 60
www.fledermausschutz.ch 

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NATURZYT Ausgabe März 2022, Text Hubert Krättli/Fotos Stiftung Fledermausschutz

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