Illustration oranger Fisch mit Seerose

Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?

Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. NATURZYT hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten.

Die einen mögen Sie lieber auf dem Teller, die anderen beobachten Sie gerne in ihrem natürlichen Lebensraum. Sie sind bunt und glitzernd oder aber schlammbraun und unscheinbar. Zuzusehen, wie sie sich elegant und geschmeidig hin- und herbewegen, bringt uns in einen Zustand innerer Ruhe und Harmonie. Für Fans werden sie zum kostbaren Sammlerstück, und für manchen Sportler werden sie durch ihre Intelligenz und Stärke zur Knacknuss – unsere wundervollen Karpfen.

Ab und zu ziehen wir uns in den kleinen schönen Park in der Nähe unserer Redaktion zurück. Einfach, um den Kopf durch zu lüften und etwas in der Natur zu sein, und vielleicht, um dort am Teich einen kleinen Mittagssnack zu essen, bevor es zurück zur Arbeit geht. Als wir wieder mal so dasassen, bemerkte einer von uns plötzlich einen grossen Schatten unter der Wasseroberfläche. Und tatsächlich, da schwamm putzmunter ein wunderschöner grosser Koi zwischen den Seerosen hindurch direkt auf uns zu. Den hatte wohl jemand «in die Freiheit» entlassen … Also nutzen wir die Gelegenheit gleich, mit unserem unerwarteten Gast ein Gespräch zu führen.

Guten Tag, mein Name ist Shintoku-san und ich bin neu in diesem Teich.

GUTEN TAG SHINTOKU-SAN. WIE KOMMT DENN EIN SO SCHÖNER GROSSER KOI WIE DU IN DEN PARKTEICH?
Naja, wahrscheinlich haben meine Vorbesitzer mich nicht so schön gefunden. Ich bin ja auch nur ein einfacher blassgelber Koi. Kein spezielles, teures Sammler-Tier. Deshalb haben sie mich wohl hier untergebracht.

ICH FINDE DICH WUNDERSCHÖN. ABER KANNST DU DENN ÜBERHAUPT ÜBERLEBEN HIER? HIER WERDEN DIE FISCHE JA NICHT GEFÜTTERT.
Natürlich, das ist kein Problem, wir ernähren uns ja von Pflanzen, Insekten und Würmern. Davon finde ich hier mehr als genug. Ausserdem ist so ein Teich genau der richtige Ort für einen Karpfenartigen wie mich. Wir mögen stehende oder ruhig fliessende Gewässer wie Naturteiche oder Baggerseen. Und für die Winterruhe ist er auch tief genug.

WINTERRUHE?
Ja, wenn die Teichtemperatur unter 10 Grad fällt, verlangsamen wir unseren Stoffwechsel und halten Winterruhe, bis es wieder warm genug ist. Dafür brauchen wir aber einen Teich, der mindestens 1,3 Meter tief ist, damit er nicht bis unten zufriert.

ACH SO, DANN IST DAS JA TOLL SO. ABER FÜHLST DU DICH DENN NICHT EINSAM? ICH HABE NOCH KEINEN ANDEREN KOI HIER GESEHEN.
Ich habe noch nicht den ganzen Teich abgeschwommen. Er ist ja recht gross und hat viele Wasserpflanzen und Verstecke. Aber bis jetzt habe ich noch keinen anderen Koi gesehen. Ich hoffe, ich finde noch einen oder wenigstens einen anderen Fisch, mit dem ich zusammen schwimmen kann. Weisst du, wir sind sehr soziale Tiere und leben gerne im Verband.

DAVON HABE ICH AUCH SCHON GEHÖRT. WIE IST DENN DAS: VERTRÄGST DU DICH DENN MIT JEDEM FISCH?
Also, am liebsten habe ich natürlich schon, wenn wir Karpfen unter uns sind. Es muss nicht unbedingt immer Koi mit Koi schwimmen, Spiegelkarpfen, Schuppen- oder Zeilkarpfen oder eine andere Karpfenart ist auch okay. Aber grundsätzlich verstehen wir uns mit allen grösseren Fischen gut, solange es keine Raubfische sind.

DANN ESST IHR WIRKLICH KEINE ANDEREN FISCHE?
Nein, eigentlich nicht, das heisst, manchmal kann es sein, dass ein ganz grosses Karpfenexemplar kleinere Fische verspeist. Aber das ist wirklich eher selten der Fall.

WIE GROSS KANN DENN SO EIN KOI ODER KARPFEN WERDEN?
Also, wir können ganz schön gross werden. Wenn wir genügend Platz haben, werden wir schon mal bis 1 Meter lang und bis zu 24 Kilogramm schwer. Richtige Wildkarpfen können noch grösser werden. Nämlich bis zu 120 Zentimeter und bis zu 40 Kilo schwer. Das sind dann echte Brummer.

WOW, DAS IST ABER WIRKLICH RIESIG. DANN BIST DU JA NOCH EIN KLEINER FISCH UND WAHRSCHEINLICH AUCH NOCH SEHR JUNG. WIE ALT KÖNNEN KOIS DENN WERDEN?
Ja, ich bin erst so ca. 45 Zentimeter lang und circa 4 Jahre alt. Aber wir können bis zu 60 Jahre alt werden, wenn wir einen schönen Lebensplatz in einem idealen Teich haben.

Im Gespräch mit NATURZYT
Gelber Koi unter der WasseroberflächeShintoku-san ist ein blassgelber Koi, ein ca. 45 Zentimeter langer Jungspund von einem Karpfenartigen und Träger von stattlichen Barteln. Seine Leibspeise sind Insekten und Würmer.

ALSO, HIER HAST DU WOHL EINEN IDEALEN TEICH, UM SO RICHTIG GROSS ZU WERDEN. HIER KÖNNTEST DU SOGAR EINE GROSSFAMILIE GRÜNDEN, FALLS DU EINE PARTNERIN FINDEST. WIE IST DAS DENN EIGENTLICH BEI EUCH MIT DER FORTPFLANZUNG? ES GIBT JA FISCHE, DIE LEBEND GEBÄREN, UND SOLCHE, DIE LAICHEN. WIE IST DAS BEI KOIS?
Unsere Weibchen laichen. Wir treiben sie im Laichspiel, damit synchronisieren wir unsere Laichbereitschaft. Dann legt das Weibchen die Eier ab, und wir befruchten sie danach mit unserem Samen. Das sind dann so circa 400 000 bis 500 000 Eier pro Mal. Und nach 4 Tagen schlüpfen dann die kleinen Kois. Normale Karpfen können je nach Alter bis zu 1,5 Millionen Eier legen, und die Kleinen schlüpfen dann nach 3 bis 8 Tagen.

MEINE GÜTE, DANN IST DER TEICH ABER GANZ SCHNELL ÜBERBEVÖLKERT.
Nein, nein. Das regelt die Natur schon selber. Da wir keine Brutpflege ausüben, werden natürlich viele unserer Kleinen von anderen Tieren gefressen. Zum Beispiel von Kormoran, Reiher, Storch, anderen Fischen oder Schildkröten. Die Gefahren sind in einem so grossen Teich nicht zu unterschätzen. Und auch vor Krankheiten sind wir nicht gefeit. Wenn wir uns verletzen, kann es schon mal zu einer Verpilzung der Haut kommen, welche uns sogar das Leben kosten kann.

KOIS GEHÖREN JA ZU DEN KARPFENARTIGEN UND SIND BEI SAMMLERN SEHR BELIEBT. KOMMEN KOIS WIRKLICH AUS JAPAN?
Naja, Fakt ist, dass wir schon seit 1870 in Japan als Statussymbol gehalten wurden. Aber wahrscheinlich kommen die unifarbenen Brokatkarpfen ursprünglich aus dem Iran und wurden ehemals als Insektenfresser und Speisefisch eingeführt.

DASS KARPFEN GEGESSEN WERDEN, IST JA NOCH VIELERORTS SO, ABER KOIS? DAS KÄME MIR SCHON KOMISCH VOR. WAHRSCHEINLICH, WEIL IHR SO SCHÖN BUNT SEID. ABER DIE NORMALEN KARPFEN TUN MIR AUCH LEID.
Das gehört zur Natur des Menschen. Ich finde es viel schlimmer, dass es Sportfischer gibt, welche sich einen Spass daraus machen, ihre Kräfte und Geschicklichkeit mit grossen alten Karpfen zu messen. Weisst du, wir Karpfen sind nämlich sehr schlau, und die grossen alten Karpfen sind auch sehr stark. Das Ganze ist einfach ein wahnsinniger Stress für diese Fische, aber wenigstens lassen sie sie danach wieder frei.

JA, SOWAS KANN ICH AUCH NICHT VERSTEHEN. GIBT ES NOCH ETWAS, DASS DU UNS GERNE SAGEN MÖCHTEST?
Es wäre sehr schön, wenn ihr Menschen erst gut darüber nachdenkt, bevor ihr euch ein Tier anschafft. Viele von uns können viele Jahre leben, wenn wir richtig und gut versorgt werden. Wir empfinden Schmerz und Trauer genauso wie ihr, und wir lieben und kennen unseren Menschen wie jedes andere «Haus»-Tier. Wir sind abhängig von euch und euch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das gilt besonders für uns Fische. Es gibt kaum ein anderes «Haus»-Tier, welches so auf seinen Menschen angewiesen ist. Wenn wir falsch oder schlecht gehalten werden, leiden wir und müssen vielleicht sogar unter qualvollen Bedingungen langsam sterben. Wir können aber auch zu Invasoren werden, wenn ihr uns einfach so in irgendeinem Tümpel «in die Freiheit» entlässt, und damit die einheimische Flora und Fauna bedrohen. Ausserdem kommen die meisten Zuchtfische aus fast sterilen Bedingungen und haben kaum Überlebenschancen. Also bitte denkt daran, informiert euch, und seid euch bewusst, was da auf euch an Arbeit zukommt, bevor ihr in den Zoohandel rennt und einfach ein Aquarium kauft.

DAS WERDEN WIR UNS ZU HERZEN NEHMEN. VIELEN DANK FÜR DAS AUFSCHLUSSREICHE GESPRÄCH. ES WAR UNS EINE FREUDE.
Das war es, und es würde mich freuen, wenn ihr mich noch oft besuchen würdet. Vielleicht habe ich bis dahin ja einen Kumpel gefunden.

Weitere tierisch gute Gespräche die interessant sind:

Tierisch gutes Gespräch mit Elmar von Erpel

Tierisch gutes Gespräch mit Rupert Rammler

Tierisch gutes Gespräch mit Erna Feldermaus


NATURZYT Ausgabe Juni 2017, Text, Foto, Illustration Virginia Knaus

NATURZYT abonnieren und mit uns, unsere Natur unterstützen.

Cover der aktuellen NATURZYT Ausgabe mit Verlinkung auf unser Abo-Formular

Das Magazin NATURZYT berichtet nicht nur über unsere Natur, damit Sie diese näher erfahren und erleben können, sondern damit Sie gemeinsam mit uns, unsere Natur mehr bewahren und schützen lernen. Deshalb unterstützt NATURZYT auch wichtige Naturprojekte mit einem Teil der Abo-Einnahmen. 

Jedes Abo hilft Naturprojekten! Jetzt unterstützen und abonnieren.

Wander-Plausch: Geführte Wanderungen mit Naturbeobachtungen

Wanderer auf einem Weg im Herbst in den Bergen

Wanderangebot in kleinen Gruppen durch faszinierende Landschaften wie Binntal, Creux du Van, Gorge de l’Areuse und vieles mehr. Wir beobachten Tiere, lernen Pflanzen kennen, studieren Landschaften und Gesteine und staunen über verblüffende Zusammenhänge in der Natur; mehrtägige Berg-Erlebnisse, herbstliche Kurz-Wanderungen, im Winter Schneeschuhtouren usw. Yvonne Aellen, Wanderleiterin und Biologin.

Mehr unter www.wander-plausch.ch oder Telefon 079 321 68 56

Buch Ravensong - Auch Tiere haben eine Stimme

   

In spannenden und packenden Interviews erzählen unsere Wildtiere mehr über sich, wer sie sind, wie sie leben und auch was sie von uns Menschen erwarten würden.

Jetzt bestellen für CHF 34.90 im A5 Hardcover

Anzeige

NATURZYT Newsletter abonnieren

Mehr Natur erfahren

Weshalb heisst der Siebenschläfer so?

grau-weisser Siebenschläfer krallt sich an Ast fest

Der Siebenschläfer ist ein putziges kleines Kerlchen. Aber weshalb heisst der eigentlich so?

Herstellung eines Malvenöl

Malveöl in brauner Flasche dekoriert mit violetten Blüten der Malve

Malvenöl beruhigt gereizte, spröde und rissige Haut. Es kann ausserdem zur Pflege trockener und empfindlicher Haut eingesetzt werden.

Mehr Natur bewahren

Im Herbst spüren Fledermäuse den Frühling

Der Grosser Abendsegler im Flug in der Nacht

Wer jetzt in der lauen Dämmerung einen Spaziergang unternimmt, kann balzende Fledermäuse hören.

Blütenreiche Staudenhecken für kleinere Gärten

Blühende Stauden unterschiedlicher Art im Sommer

Hecken müssen nicht immer aus Sträuchern bestehen, eine alternative sind blütenreiche Staudenhecken.

Mehr Natur erleben

Triftbrücke und Triftschlucht: Schaukeln über der Schlucht

Triftbrücke

Schaukeln in rund hundert Metern Höhe über der Triftschlucht - auf der Triftbrücke, eine der eindruckvollsten Hängebrücken der Alpen.

Walensee: Wandern an der Ostschweizer Riviera

Blick durch Bäume und Sträucher auf den Walensee

Am Walensee fühlt man sich wie an der Riviera, ist aber in der Ostschweiz