Illustration brauner Maus mit Blütenhintergrund in Grün rosa

Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?

Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. Naturzyt hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten.

Sie werden als Nahrung oder zu Versuchszwecken gezüchtet. Die einen schimpfen sie Schädlinge – andere finden sie süss und halten sie als Haustiere. Manch einer ekelt sich gar vor ihnen und findet, sie seien Ungeziefer, oder man fürchtet sich gar vor ihnen. Dabei sind sie absolut harmlos und wirklich niedlich – unsere kleinen knopfäugigen Mäuschen.

Dieses Frühjahr bekamen wir zwei winzig kleine halbverhungerte und -verdurstete Mäuschen, welche sich in die Buchdruckerei eines befreundeten Paares der Redaktoren geflüchtet hatten. Da diese dort nicht wieder ausgewildert werden konnten, weil’s einfach zu kalt und weder Wasser noch Nahrung zu finden war, kamen die beiden Pfleglinge vorab zu uns in die NATURZYT-Redaktion. Hier wurden sie von uns in einem grossen Terrarium versorgt, bis wir sie dann im Frühling, bei wärmeren Temperaturen, wieder auswildern konnten. In dieser Zeit hat es sich wie von selbst angeboten, ein kleines Interview mit den beiden Mäuschen zu führen.
Hallo, ich bin Phineas und ich bin Pherb. Wir sind so froh, dass eure Freunde uns gefunden und gerettet haben.

DAS HABEN SIE SEHR GERNE GEMACHT, SIE MÖGEN NÄMLICH TIERE AUCH SEHR GERNE. WÄRT IHR BEIDE BEREIT FÜR EIN KLEINES INTERVIEW?
Phineas: Wow, du willst tatsächlich mit uns sprechen?
Pherb: Das ist uns noch nie passiert, aber wir haben ja auch noch von niemandem so ein tolles Häuschen bekommen mit sooo weichem Kuschelnestzeug drin.

JA NATÜRLICH MÖCHTEN WIR MIT EUCH SPRECHEN. ES INTERESSIERT UNS, MEHR ÜBER EUCH UND EURE LEBENSWEISE ZU ERFAHREN.
Phineas: Na, was möchtet ihr denn wissen?
Pherb: Frag nur, wir geben dir gerne Auskunft.

GUT ALSO, ALS ERSTES WÄRE ES SCHÖN, WENN IHR UNS SAGEN KÖNNTET, WAS FÜR EINER GATTUNG IHR ANGEHÖRT.
Pherb: Was ist eine Gattung?

OH, ENTSCHULDIGT. DAMIT IST EURE RASSE GEMEINT. BZW. ZU WAS FÜR EINER MÄUSEART IHR GEHÖRT.
Pherb: Ach so. Na, ich weiss das nicht so genau. Weisst du das, Phineas?
Phineas: Na klar. Wir sind Waldmäuse. Pherb: Hä, aber wir leben doch gar nicht im Wald. Wir haben doch dort bei der Buchdruckerei im Fassadenbewuchs gewohnt. Also müssten wir dann nicht Vorgarten- oder Hausmäuse sein oder so was?
Phineas: Blödsinn, Vorgartenmäuse gibt’s gar nicht, und Hausmäuse sehen ganz anders aus. Wir haben nämlich so grosse Kugelaugen und nen hellen Bauch. Ausserdem sind wir sowieso einfach hübscher, weil wir nicht so graubraun sind, sondern so haselnussbraun.
Pherb: Ich glaub’s dir trotzdem nicht. Weil Waldmäuse leben doch sicher im Wald.

NEIN, NEIN PHERB, PHINEAS HAT DA SCHON RECHT. IHR GEHÖRT ALSO ZU DEN WALDMÄUSEN. WEISST DU PHERB, WALDMAUS IST NUR EINE ARTENBEZEICHNUNG. VIELE EURER ART BEWOHNEN SIEDLUNGSGEBIETE. DAS LIEGT WOHL AM NAHRUNGSANGEBOT.
Pherb: Na, wenn du’s sagst, glaub ich’s.
Phineas: Ist ja mal wieder typisch. Mir glaubt sie einfach nie was.

NA, NA, NICHT STREITEN. ERZÄHLT MIR DOCH LIEBER, WIE IHR SO LEBT.
Phineas: Also momentan leben wir bei dir. Ist zwar ’n bisschen eng hier, aber immer noch besser als draussen. Wir sind fast erfroren dort draussen.
Pherb: Ja, und auch fast verhungert und verdurstet. Es war so kalt, dass wir keine Nahrung und auch kein Wasser finden konnten. War alles tot und eingefroren.
Phineas: Drum sind wir dann halt heimlich in die Buchdruckerei geschlichen, und die haben uns voll erwischt.
Pherb: Ja, ich hab mich erst mächtig erschrocken. Aber dann hab ich gemerkt, dass die mir ja gar nichts tun wollen.
Phineas: Ja, und dann kamen wir zu euch und bekamen Futter und Wasser und einen warmen, ruhigen Ort.
Pherb: Oooh ja. Ein kuschelig warmes Häuschen und Nüsse und Samen und ein Wasserbecken. Da hab ich mich gleich reingesetzt.

JA, DARAN KANN ICH MICH GUT ERINNERN. DU WARST VÖLLIG AUSGETROCKNET. SCHADE FINDE ICH NUR, DASS MAN EUCH SO SELTEN SIEHT. IHR SEID NÄMLICH WIRKLICH SEHR HÜBSCH.
Phineas: Na, ich guck doch zu, wenn du nachts noch lange arbeitest. Dann siehst du mich doch.
Pherb: Tut mir leid, ich bin halt etwas scheu, und ich geniesse es einfach, nur im Kuschelbett zu liegen. Ich komme erst nachts raus, wenn’s dunkel ist.

AHA, DANN SEID IHR ALSO NACHTAKTIV. WAS MIR AUCH NOCH ETWAS SORGE BEREITET, IST EURE WIEDERAUSWILDERUNG. HABT IHR DA WÜNSCHE?
Phineas: Dann müssen wir also nicht da bleiben. Ich will ja nicht undankbar sein, aber immer möchte ich nicht in so einem Glaskasten wohnen. Auch wenn er recht gross ist. Dann lieber irgendwo, wo’s viele Gebüsche und Schlupfmöglichkeiten hat draussen in der freien Natur. Dort, wo wir eine Höhle bauen können, mit einer Nestkammer und einer Vorratskammer. Mit zwei Ausgängen… Man weiss ja nie…
Pherb: Ja, und irgendwo, wo es auch Wasser hat. Einen Teich oder Bach oder so.
Phineas: Und Futter sollten wir genug finden können. Vielleicht da, wo es Buchen oder Haselnussbäume gibt. Oder in der Nähe eines Feldes.
Pherb: Und bitte irgendwo, wo es keine Katzen hat.

DAS SIND ABER VIELE WÜNSCHE AUF EINMAL. ABER ICH BIN SICHER, WIR WERDEN EINEN PASSENDEN ORT FÜR EUCH FINDEN. AUSSERDEM WÜRDEN WIR NIEMALS EIN WILDTIER ALS HAUSTIER HALTEN, WENN WIR SEINER NATUR DABEI NICHT GERECHT WERDEN KÖNNTEN. AUCH GIBT ES KEINEN GRUND, DASS IHR NICHT WIEDER IN DIENATUR GEHEN DÜRFT, SOBALD ES WIEDER WARM GENUG IST, DASS IHR EINEN GUTEN START INS NEUE LEBEN BEKOMMT.
Pherb: Also ich find’s nicht so schlimm bei euch. Phineas ist halt mehr eine Draufgängerin als ich. Ich mag’s halt lieber sicher.
Phineas: Bin ich gar nicht, du bist einfach ein Faulpelz und lässt es dir gerne gutgehen.
Pherb: Bin ich gar nicht, aber ich bin dankbar. Sie haben uns schliesslich das Leben gerettet.
Phineas: Na und, das heisst ja nicht, dass ich deshalb ewig hierbleiben muss.

Mäuse schwarz und weiss im Käfig mit Heu und Kokusnuss
Im Gespräch mit NATURZYT
Pineas (rechts im Bild) liebt Sämereien und Nüsse über alles. Pherb (links im Bild) mag Nüsse und Samen auch und kleine Käferlarven. Sind beides fantastische Kletterer und Phineas ist ausserdem auch ein toller Hochspringer. Als Neuzuzüger bei einem nahen Waldweiher freuen sie sich über die vielen Dickichte, welche ihnen so tollen Schutz bieten. (Ihr geliebtes Kuschelhäuschen durften sie selbstverständlich behalten und Startfutter gab’s auch noch dazu.)

NICHT SCHON WIEDER STREITEN, JUNGS, ÄH MÄDELS, ÄH, WAS SEID IHR EIGENTLICH, MÄDCHEN ODER JUNGS? NICHT DASS WIR DANN IM FRÜHJAHR 20 MÄUSE AUSWILDERN MÜSSEN.
Phineas: Also wir streiten nicht, wir diskutieren.
Pherb: Mh, hm….
Phineas: Keine Angst, wir sind zwei Mädchen. Also keine 20 Mäuse zum Auswildern. Wie kommst du denn eigentlich auf so was?

NA, MAN WEISS DOCH, DASS SICH MÄUSE SEHR SCHNELL VERMEHREN UND DANN ZU SCHÄDLINGEN WERDEN KÖNNEN. ODER STIMMT DAS ETWA NICHT?
Pherb: So schlimm, wie ihr immer tut, ist es nun auch wieder nicht. Wir bekommen bis zu dreimal im Jahr 2 bis 8 Junge. Und das je nach Nahrungsangebot. Ausserdem sind wir ja nur 8 bis 11 Zentimeter gross. Meistens seht ihr uns ja gar nicht.
Phineas: Jawohl, wenn es wenig zu essen gibt, gibt es auch weniger Nachwuchs. Und Schädlinge nennt nur ihr uns. Ist eigentlich ’ne Frechheit. Ihr habt Nahrung im Überfluss, und wenn wir ein bisschen davon haben möchten, nennt ihr uns Schädlinge und tötet uns. Von teilen habt ihr wohl noch nie was gehört. Nein, lieber hetzt ihr uns Katzen auf den Hals oder tötet uns mit Fallen. Unser Leben ist mit 2–3 Jahren kurz genug, da wäre es schön, wenn wir uns nicht noch die ganze Zeit vor euch fürchten müssten.
Pherb: Katzen machen mir Angst. Die sind gemein. Die spielen mit uns und werfen uns herum. So was tut man nicht.

DAS TUT MIR SEHR LEID. IHR HABT WOHL RECHT. EUER LEBEN IST NICHT IMMER EINFACH. IHR SEID VIELEN GEFAHREN AUS GESETZT. GIBT ES IRGENDETWAS, WAS WIR TUN KÖNNEN, UM EURE LEBEN ZU VERBESSERN?
Phineas: Wir wären dankbar, wenn ihr eure Felder nicht total abernten würdet, sondern für uns noch etwas liegen lasst. So könnten wir besseren Nahrungsvorrat in unseren Höhlen anlegen. Ausserdem tun euch so ein paar Körnchen weniger nicht weh.
Pherb: Ja, und bitte lasst auch ein paar runtergefallene Früchte liegen. Die mögen wir nämlich auch.
Phineas: Und wenn wir im Winter irgendwo eindringen, weil wir hungrig sind, tötet uns nicht gleich. Es gibt auch Lebendfallen. Damit könnt ihr uns an einen geeigneten Ort bringen, wo wir Überlebenschancen haben.
Pherb: Ich fände es schön, wenn ihr uns nicht zu Futterzwecken oder für Tierversuche züchten würdet. Davon hab ich nämlich mal gehört. Dazu nehmt ihr zwar keine Waldmäuse, aber artverwandte Farbmäuse. Ihr würdet auch nicht für uns leiden wollen, oder?
Phineas: Ja, und wenn ihr mal ne Katze mit ’ner Maus spielen seht, dann filmt sie nicht noch dabei, sondern nehmt ihr die Maus weg und bringt sie in Sicherheit. Sie hat auch ein Recht auf Leben und ist euch sicher dankbar.

LIEBE PHINEAS, LIEBE PHERB, WIR DANKEN EUCH FÜR DAS AUFSCHLUSSREICHE GESPRÄCH. WIR WERDEN EURE ANLIEGEN GERNE ALLEN MITTEILEN, SODASS ES HOFFENTLICH VIEL ÖFTER ZU EINEM RESPEKTVOLLEN MITEINANDER KOMMEN WIRD.
Pherb: Danke, dass ihr uns aufgenommen habt und wir mit euch reden durf en.
Phineas: Ja, war toll, mal mit euch zu reden. Und danke, dass ihr uns gerettet habt.

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NATURZYT Ausgabe Juni 2018, Text, Fotos, Illustration Virginia Knaus

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