Zeichnung eines fliegenden schwarzen Vogel am blauen Himmel

Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?

Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. Naturzyt hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten. Sie sind fantastische Flieger und sausen im Sommer nur so über den Feldern und Äckern dahin. Sie jagen zu vielen in luftiger Höhe ihre Insekten im Flug. Ausserdem gelten sie als Frühlings- und Glücksbringerinnen. Im Volksmund sagt man, dass wenn sie tief flögen, es bald Regen gebe. Die Rede ist von unseren wunderhübschen Schwalben. Im Stall meines Pflegepferdes habe ich letztens ein Schwalbennest entdeckt und mir gedacht, dass sich da wohl eine gute Gelegenheit für ein kurzes Gespräch während der mütterlichen Brutpflege ergeben könnte. Also sofort die Gunst der Stunde nutzen und die hübsche Schwalbe um ein Interview bitten.

GUTEN TAG, LIEBE SCHWALBE, BITTE ERSCHRICK NICHT. ICH MÖCHTE DIR NICHTS BÖSES. ICH HABE NUR GERADE DEIN WUNDERVOLLES NEST BEWUNDERT UND HABE MICH GEFRAGT, OB DU WOHL ZU EINEM KLEINEN GESPRÄCH MIT MIR BEREIT WÄRST. 
Wer bist du denn, und wieso willst du mit mir sprechen?

ICH BIN GINI VON DER NATURZYT. DAS IST EIN MAGAZIN, WELCHES DEN MENSCHEN GERNE DIE NATUR UND IHRE BEWOHNER NÄHERBRINGT. DORT STELLE ICH JEWEILS EINE PERSÖNLICHKEIT AUS DEM TIERREICH VOR UND MACHE DAZU KLEINE INTERVIEWS. UND WIE IST DENN DEIN NAME?
Ich bin Svenja, das tönt wirklich interessant, Gini, ich habe einfach nicht sehr viel Zeit, da ich bald wieder Beute jagen gehe, um meine 5 Kinder zu ernähren. Ich bin aber gerne bereit, mit dir zu reden. Wie läuft denn sowas wie ein Interview ab?

DAS IST GANZ EINFACH, ICH STELLE DIR EIN PAAR FRAGEN ÜBER DICH UND DEINE ART, UND DU ERZÄHLST MIR DANN VON EUCH. OKAY?
Klar, dann schiess mal los.

ALSO DU BIST EINE SCHWALBE, WIE ICH SEHE. KANNST DU MIR VIELLEICHT SAGEN, WAS FÜR EINE ART SCHWALBE DU BIST?
Ich bin tatsächlich eine Schwalbe, und zwar eine Rauchschwalbe. Das erkennst du an unserem blauschwarzen Gefieder und der kastanienbraunen, schwarz umrandeten Halspartie. Wir sind mit 19 bis 22 Zentimeter Länge und einer Flügelspannbreite von 32 bis 34,5 Zentimetern auch etwas grösser als die Mehlschwalben. Generell sind wir die grösste Schwalbenart und kommen in ganz Europa vor. Ausserdem fliegen wir langsamer mit einer durchschnittlichen Flügelschlagfrequenz von ca. 4,4 Schlägen pro Sekunde gegenüber der Mehlschwalbe, welche 5,3 Schläge in der Sekunde erreicht.

GIBT ES NOCH MEHR SOLCHE MARKANTEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN EUREN BEIDEN ARTEN?
Ja, wir sind zwar beide Kulturfolger, das heisst, wir ziehen mit den Menschen mit, aber wir Rauchschwalben haben im Gegensatz zu den Mehlschwalben schon immer in den Häusern und Ställen der Menschen unsere Nester gebaut, wogegen diese Aussenfassaden bevorzugen. Das hat uns auch unseren Namen eingebracht. In früheren Zeiten sind wir nämlich jeweils durch die Öffnungen rein und raus geflogen, welche für den Abzug des Rauches der Herde gedacht waren. Da wir sehr wendige Flieger sind, bereitete uns das kein Problem. Noch ein markanter Unterschied ist unsere Jagdhöhe, während wir unsere Beute in 7 bis 8 Metern Höhe ab Boden jagen, liegt die Jagd Höhe der Mehlschwalben bei ca. 21 Metern, auch wenn sie manchmal pflügenden Traktoren hinterherfliegen, um aufgescheuchte Insekten zu vertilgen.

DAS IST INTERESSANT. UND WIE IST ES, WENN IHR, SAGEN WIR MAL, EINE FLIEGE ERWISCHT. SETZT IHR EUCH DENN DAMIT HIN, UM SIE ZU ESSEN?
Nein, keineswegs. Wir schlucken die Beute sofort runter, sofern wir keinen Nachwuchs zu versorgen haben. Ansonsten sammeln wir die Insekten in unserem Kehlsack, sofern sie nicht zu gross sind, wie z.B. Schmetterlinge. Die tragen wir in unserem Schnabel zum Nest. Wir jagen täglich so um die 2500 Mücken und Fliegen. Das brauchen wir zum Überleben. Stell dir nur mal vor, wir müssten uns mit jeder Beute erst hinsetzen, um sie zu verzehren, dann würden wir wohl vorher verhungern …

APROPOS NESTER, WORAUS BESTEHEN DIESE EIGENTLICH UND BENUTZT IHR SIE IMMER WIEDER ODER BAUT IHR JEWEILS WIEDER NEUE?
Oh, wir sind wahre Baumeister. Unser Nest hat die Form einer Viertelkugel, die frei weit oben auf Vorsprünge oder so wie bei meinem an einen Balken geklebt wird. Für ein Nest brauchen wir so um die 750–1400 Lehm- und Erdklümpchen, welche wir mit unserem Speichel zusammenkleben. Zu deren Beschaffung legen wir etwa eine Wegstrecke von rund 220 Kilometern zurück. Als Verstärkung bauen wir Grashalme und Stroh zwischen den Lehmklumpen ein. Innen wird dann das Nest schön geglättet und mit Federn, Haaren und Pflanzenmaterial weich ausgepolstert. Pferdehaare sind der Hit, und davon gibt’s so viele hier. So ein Nest bauen ist eine Heidenarbeit. Darum nutzen wir sie auch immer wieder und bessern lediglich kleinere Schäden aus.

Kleiner schwarzer Vogel in einem Nest
Im Gespräch mit NATURZYT
Svenja Schwalbe ist eine dreijährige rasante Flugküstlerin. Sie liebt ihren Reto genau so sehr wie Mücken und hat schon viermal Nachwuchs grossgezogen. Sie kommt jedes Jahr aus Afrika zu ihrem Nest in der Schweiz zurück.

JA, ICH HABE GEHÖRT, DASS SCHWALBEN SEHR STANDORTTREU SIND , UND IHRE NESTER ZU ENTFERNEN IST SOGAR VERBOTEN. IHR GEHÖRT JA ZU DEN LANGSTRECKENZIEHERN. KANNST DU MIR ERZÄHLEN , WIE DEIN LEBEN SO ABLÄUFT?
Klar! Also das ist so. Ich komme im Frühjahr, so zwischen März und Mai, zurück in die Schweiz, und zwar aus Afrika. Ist eine sehr lange Strecke, welche wir hin - und her fliegen. Dann so zwischen März und Juli ist Brutsaison. In dieser Zeit haben Rauchschwalben etwa 2 bis höchstens 3 Bruten, in denen wir etwa 3 bis 6 weiss-braun gefleckte Eier legen. Dies hier ist jetzt meine zweite Brut. Ich habe meine Eier etwa 16 Tage bebrütet, und nun versorgen wir die Kleinen etwa 20 Tage lang, bis diese flügge sind und ausziehen. Meine Kinder aus der ersten Brut sind nett und helfen bei der Aufzucht meiner zweiten Brut mit. Das ist nicht immer so, normalerweise machen das nur mein Mann und ich. Dann zirka im September/Oktober fliegen wir wieder die ganze lange Strecke nach Afrika zurück. Wir könnten in diesem Klima den Winter hier sonst nicht überleben.

WOW, DAS IST GANZ SCHÖN WEIT. SCHWÄNE ODER KRÄHEN SIND IHREM PARTNER EIN LEBEN LANG TREU. ANDERE VOGELARTEN WÄHLEN SICH IMMER WIEDER NEUE PARTNER. WIE IST DAS EIGENTLICH BEI EUCH?
Naja, bei uns ist das etwas zwischendurch. Unsere Männchen unterscheiden sich vom Optischen her nicht sehr von uns. Einzig der kastanienfarbige Kehlkopf ist bei ihnen ausgeprägter als bei uns. Diesen benutzen sie dann auch bei der Balz. Wenn wir uns dann, nach Erreichen der Geschlechtsreife, etwa im zweiten Lebensjahr, für einen Partner entschieden haben, bleiben wir eigentlich dann wie die Raben ein Leben lang zusammen. Jedoch mit dem Unterschied, dass sich unsere Männchen jedes Jahr aufs Neue beweisen müssen. Das heisst, wenn mich mein Reto nicht mehr vollkommen überzeugen kann, dass er der Beste und Schönste ist, dann werde ich ihm wahrscheinlich untreu. Ich würde ihn nicht verlassen oder keine Kinder mehr kriegen mit ihm, aber ich würde mich auch mit einem meiner Ansicht nach Besseren paaren und Reto so ein paar Kuckuckseier unterschieben. Ist vom menschlichen Standpunkt her gesehen vielleicht nicht die feine Art und hat auch nichts mit Gefühlen zu tun, aber der Fortbestand ist wichtig und dem muss man halt auch Rechnung tragen. Ich liebe meinen Reto trotzdem, er ist ein toller und fürsorglicher Vater, egal von welchem Ei.

ICH SEHE DU WIRST LANGSAM UNRUHIG UND MUSST BALD WIEDER RAUS, BEUTE FANGEN. ICH HABE NOCH ZWEI KEINE FRAGEN. HABT IHR FEINDE, WIE ALT BIST DU UND WELCHES ALTER KÖNNT IHR ERREICHEN?
Das sind 3 Fragen … Aber ist schon okay. Ich bin jetzt 3 Jahre alt und habe letztes Jahr schon mit meinem Reto hier gebrütet, er ist immer noch der Beste … Feinde haben wir neben dem Menschen, welcher uns aus den Siedlungsgebieten verdrängt, da die Bauernhöfe meist ausserhalb liegen, vor allem in Form der Baumfalken. Andere Greifvögel schlagen uns kaum, da wir sehr wendig und schnell sind. Wir erreichen bis zu 80 km/h. Es gibt auch bei uns jede Menge Parasiten, welche uns zu schaffen machen und unsere Gesundheit angreifen. Ausserdem ist das Hin- und Herziehen nach Afrika und zurück auch immer mit vielen Gefahren verbunden. Schliesslich sammeln wir uns dafür in Schwärmen und übernachten zusammen in grösseren Schilfbeständen oder auf Überlandleitungen. Da sind wir leichtere Beute, auch für Nachtgreifvögel wie Eulen. Weshalb unser Durchschnittsalter bei etwa 4 Jahren liegt, trotzdem können wir bis zu 8 Jahre oder sogar älter werden.

DAS WAR EIN GROSSARTIGES GESPRÄCH MIT DIR, SVENJA. ICH DANKE DIR SEHR DAFÜR. GIBT ES NOCH ETWAS, DAS DU UNSEREN LESERN VIELLEICHT NOCH MITTEILEN MÖCHTEST?
Nein, eigentlich nicht, ausser vielleicht, dass sie doch bitte nicht so viele Pestizide benutzen sollen. Wir sind doch dazu da, die Fliegen und Mücken zu jagen, und deshalb ja sowas wie ein ganz natürlicher Mückenschutz. Man sollte immer allem mit Respekt begegnen und daran denken, dass , wenn man eine Spezies vernichtet, daran vielleicht auch noch eine andere hängen könnte, welche man vielleicht gerne bewahren möchte. Also, niemand mag Mücken, ausser wir. Wir haben sie zum Fressen gerne, und wenn sie alle verschwänden, dann würden auch wir verschwinden. Das wäre doch echt schade, oder?

JA, DAS WÄRE ES IN DER TAT. ICH DANKE DIR UND WÜNSCHE DIR, RETO UND DEINEN KINDERN EIN LANGES, GESUNDES LEBEN VOLLER LECKERER MÜCKEN.
Danke dir auch, Gini, es hat echt Spass gemacht, mit dir zu reden. Ich muss jetzt leider los, aber vielleicht sehen wir uns mal wieder. Alles Gute auch an eure Leser.

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NATURZYT Ausgabe September 2023, Text, Foto, Illustration Virginia Knaus

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