Grüne Berge im Sommer in Italien
Das Val Grande gilt als das grösste Wildnisgebiet im Alpenraum und Europas und ist kaum durch den Menschen besiedelt.

Mit Italien verbindet man meist Meer, Sonne satt und viel Gelato. Im Norden des Landes finden sich aber Naturschätze, die mit gigantischen Felsformationen, türkisfarbenen Bergseen und sogar einem Basilisken auftrumpfen.

Keine Frage, der Steinbock verfügt über einen guten Grip: Dank seines «SurvivalKits » kann er sich selbst in steilem Gelände sicher bewegen. Seine zweigeteilten Hufe sind unabhängig voneinander beweglich, wodurch sich der Fuss an jede Unebenheit anpassen kann. Selbst die kleinen Kitze wagen schon nach wenigen Tagen waghalsige Sprünge über Stock und Stein. Im Nationalpark Gran Paradiso lassen sich die Kletterkünstler bestens beobachten – am über 4000 Meter hohen Gipfel des namengebenden Bergs fühlen sich die alpinen Bewohner äusserst wohl. Um die Alpensteinböcke vor der Ausrottung zu retten, erklärte der damalige König Viktor Emanuel II. das Gebiet rund um den Gran Paradiso 1856 zum königlichen Jagdgebiet. Da nur seine Majestät hier jagen durfte, konnte sich die Population des sonst im gesamten Alpenbogen ausgestorbenen Tieres entsprechend schnell erholen. 1922 wurde das einstige königliche Jagdgebiet zum ersten Nationalpark Italiens erklärt und der Alpenstein bock zum Wappentier.

Seenlandschaft in den Bergen im Sommer
Im Nationalpark Gran Paradiso lässt sich der Steinbock bestens beobachten – seit 1922 steht er hier unter Schutz.

Das älteste Schutzgebiet Italiens

Der Steinbock ist seither Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit und besonderen Schutzes durch den Park; ihm sind immer wieder Forschungs- und Erhaltungsprojekte gewidmet. Eingebettet von Drei- und Viertausendern birgt das 700 Quadratkilometer grosse Gebiet eine lebendige Vielfalt – auch Luchse, Wölfe, Füchse und Hirsche sind mit etwas Glück zu beobachten. Am Himmel lassen sich mächtige Bartgeier entdecken, die ihre Kreise zwischen den markanten Gipfeln ziehen. Im Westen verläuft das Schutzgebiet entlang der Grenze zu Frankreich, wo es nahtlos an den Nationalpark Vanoise anschliesst. Das älteste Schutzgebiet Italiens lässt sich gut zu Fuss erkunden – ein breites Netz an Schutz-Naturhütten und Biwaks steht Wandererinnen und Bergsteigern zur Verfügung.

Der See «Ceresole Reale» am piemontesischen Tor des Nationalparks bietet zudem Windsurfing in alpiner Kulisse – wenn es zur Abwechslung mal nicht die Adria sein soll, bieten die Nationalparks im Norden des Landes unvergessliche Momente. Hat man den Italien-Urlaub mit dem Besuch des Nationalparks Gran Paradiso begonnen, muss man für die nächste Natur-Sehenswürdigkeit nicht weit fahren, um ein unberührtes Reservat in den Piemonteser Alpen zu finden: Der Nationalpark Val Grande wurde 70 Jahre später zum Naturschutzgebiet erklärt und erstreckt sich zwischen dem Lago Maggiore und dem Val d’Ossola. 

Grau-braune Gräser und Schneefelder in den Bergen
Der Park Toskanisch- Emilianischer Apennin ist der jüngste Nationalpark Italiens, da er erst 2001 gegründet wurde.

Das grösste Wildnisgebiet - das Val Grande

Das Val Grande gilt als das grösste Wildnisgebiet im Alpenraum und Europas: Der Verlust der Infrastruktur während des Zweiten Weltkriegs trug zum Rückzug der Menschen rund um das Val Grande bei. Aufgrund der Entvölkerung des Territoriums hat die Fauna ihren Platz zurückerobert: Hier stösst man leicht auf Gämsen, Hirsche, Wildschweine, Wölfe und Füchse, während der mythologische Basilisk, lokal «Re di Biss» genannt, regelmässig in den Legenden und der Folklore der Region präsent ist. Die grosse Ausdehnung der weiten Landschaft ohne menschliche Siedlungen machen «Val Grande» zu einem beliebten Ziel für Wanderfreunde. So schön der Park auch ist, empfiehlt sich eine Wanderung hier aber nur für erfahrenere Abenteurer: Die grossen Distanzen und Höhenmeter haben es in sich.

Natürlich darf bei einem Besuch von Norditalien ein Abstecher zu den Dolomiten nicht fehlen. Die pittoresken Gipfel, die wie Drachenzähne in den Himmel ragen und bei Sonnenuntergang golden schimmern, muss man nicht bestiegen, aber gesehen haben. Keine 100 Kilometer nördlich von Venedig liegt das 1990 als Nationalpark deklarierte Naturreservat Belluneser Dolomiten. Hier wechseln sich Laubmit Nadelwäldern ab, von steilen Felswänden stürzen rauschende Wasserkaskaden und auf den Wiesen entdeckt man zahlreiche der über 100 hier beheimateten Schmetterlingsarten. Die territoriale Weite bietet über 115 Vogelarten sowie 20 Amphibien- und Reptilienarten ein Zuhause. Daneben tummeln sich rund 3000 Gämsen und mehr als 2000 Rehe an den Felshängen und Wiesengründen. Den Besucherinnen des Parks stehen Hunderte von Wegen, Waldstrassen, Saumpfaden und Klettersteigen zur Verfügung – der Nationalpark Belluneser Dolomiten lässt sich spazierend, bergsteigend oder – wer keine Angst hat – mit dem Gleitschirmflieger entdecken.

Felsvorsprung mit Menschen im Sommer
Die Entstehung des Felsmassivs «Pietra di Bismantova» reicht etwa 15 Millionen Jahre bis ins Miozän zurück.

Der Steinadler des Nationalpark Stilfserjoch

Wer lieber in den Himmel schaut, als selbst zu fliegen, ist im Nationalpark Stilfserjoch richtig: Das Symbol des «Parco Nazionale dello Stelvio», wie er auf Italienisch heisst, ist der Steinadler. Daneben kreist der Bartgeier über dem rund 130 000 Hektar grossen Park, der sich über das Trentino, Südtirol und die Lombardei erstreckt. Landschaft und Natur sind hier äusserst abwechslungsreich und reichen von grünen Wäldern über hohe Gipfel bis hin zu eisigen Gletschern. Die verschiedenen alpinen Klimazonen, die daraus resultieren, bieten seltenen Pflanzen und Tierarten genau den Raum und Schutz, den sie benötigen. Neben Steinadler und Bartgeier zählen Steinbock, Gämse und Hirsche zu den «big five» des Stilfserjoch-Nationalparks.

Weiter südlich liegt in den Provinzen Lucca, Massa Carrara, Parma und Reggio Emilia das UNESCO-Biosphärenreservat mit dem etwas unbequemen Namen Toskanisch-Emilianischer Apennin. Italienisch tönt er deutlich malerischer: «Parco nazionale dell'Appennino ToscoEmiliano ». An der Grenze zwischen den italienischen Regionen Emilia-Romagna und Toskana liegend, wo die Mittelmeerküste und die Poebene aufeinandertreffen, beherbergt der Nationalpark 122 Berge. 

Der jüngste Nationalpark Italiens

Der Park Toskanisch-Emilianischer Apennin ist der jüngste Nationalpark Italiens, da er erst 2001 gegründet wurde. Er besteht aus zwei Regionalparks und vier staatlichen Naturschutzgebieten. Beim Besuch sollte man ein besonderes Augenmerk auf die «Pietra di Bismantova» legen. Die Entstehung des Felsmassivs auf der emilianischen Seite des Parks reicht etwa 15 Millionen Jahre bis ins Miozän zurück, als die Region unter dem antiken Tethys-Meer lag. Die vielen Molluskenschalen und Fischzahnfossilien, die noch immer in der gesamten Region gefunden werden können, machen die Wanderung durch das Gebiet besonders spannend.

Weitere schöne Naturregionen im nahen Ausland:

Vielfältige Naturlandschaft im Fürstentum Liechtenstein

Im Nordosten Deutschlands tobt das wilde Leben an Peene und Oder

Versteckte Naturschätze im Süden Frankreichs


NATURZYT Ausgabe Juni 2024, Text Helen Weiss, Foto AdobeStock

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