Pure Natur auf dem Teller. Wildpflanzen sind gesund und bringen Abwechslung in die Küche. Wer sich auf Streifzüge in die frühlingshafte Natur begibt, findet einen reich gedeckten Tisch und manche Überraschung, was vor der Haustüre alles wächst und ein schmackhaftes Gericht ergibt.
Zur Vorspeise eine Brennnesselsuppe, dann einen Blattsalat mit Giersch und zum Hauptgang Gschwellti mit Bärlauch-Quark, Gundermann-Frischkäse und Knoblauchrauken- Hüttenkäse. Was exotisch tönt, ist ein typisches Wildpflanzenmenü aus der heimischen Natur. Es ist gesund, nahrhaft und erfreut den Gaumen mit ungewohnten Geschmäcken. Doch bis es auf dem Tisch steht, ist einiges an Arbeit nötig.
Zu Hause vorbereiten
Eine Wildpflanzenexkursion beginnt mit der Vorbereitung. Bestimmungsbücher und Ratgeber liefern Angaben zu Standorten, Wachstumszeit und Merkmalen der gesuchten Pflanzen, sie geben Auskunft über Wirkung und mögliche Verwechslungen, und sie erklären, welche Teile der Pflanze verwendet werden, oft ergänzt mit Rezepten. Wer essbare Pflanzen sammelt, muss sich seiner Sache sicher sein. Mindestens ein Bestimmungsbuch gehört deshalb mit auf Tour. Behälter, ein Korb oder Rucksack und Handschuhe für die Brennnesseln ergänzen die Ausrüstung.
Die Zutaten zu unserem Frühlingsmenu wachsen fast vor der Haustüre. Die Brennnessel ist im Wald und an Waldrändern zu Hause. Verwendet werden vor allem die jungen Triebe. Sie werden wie Spinat zubereitet, geben aber auch feine Suppen, Tees, Saucen und sogar Desserts. Der Brennnessel wird grosse Heilkraft zugeschrieben. Sie wirkt blutreinigend, harntreibend und entgiftend, soll Entzündungen hemmen und Krebs vorbeugen, und sie wird bei Verdauungsstörungen und Rheuma eingesetzt. Schmackhaft ist sie auf jeden Fall. Reichlich vorhanden ebenso.

Unkrauft? Von wegen!
Jedem Gartenfreund bekannt ist Giersch – als hartnäckiges Unkraut. Dabei ist er ausgesprochen nahrhaft und würzig, sein Geschmack erinnert an Petersilie, Fenchel und Sellerie. Giersch verleiht einem Blattsalat oder einer Suppe die spezielle Note und wird von Gourmets sehr geschätzt. Am besten schmecken die leuchtend hellgrünen, noch leicht gefalteten jungen Blätter. Früher wurde Giersch auch als Vitaminlieferant und zur Behandlung von Rheuma und Gicht eingesetzt und in manchem Klostergarten angebaut. Die Pflanze gehört zu den Doldengewächsen, einer Familie mit giftigen Vertretern wie dem Schierling. Dieser hat traurige Berühmtheit erlangt: Sokrates wurde mit Schierlingsaft hingerichtet. Eindeutig bestimmt, lässt sich Giersch bedenkenlos geniessen. Sein Blattstiel ist dreieckig, das Blatt gleicht einem Geissfuss und ist dreiteilig.
Bärlauch, die alte Heilpflanze
Sicher sein muss man sich auch beim Bärlauch. Seine «falschen Freunde» Herbstzeitlose, Aronstab und Maiglöckchen sind wenig bekömmlich bis tödlich. Bärlauch wächst an feuchten Orten. Die etwas schlappen, lanzettlichen Blätter sind gestielt, haben auf der Rückseite eine durchgehende Mittelrippe und wachsen einzeln aus dem Boden. Typisch ist der Knoblauchgeruch. Doch nach einem Dutzend gepflückter Blätter riechen die Hände so stark, dass man sich nicht mehr auf den Duft verlassen sollte.
Man sammelt Bärlauch so wie alle Wildpflanzen: nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip, sondern Blatt für Blatt. Später im Frühling kann man auch die Blütenknöpfe verwenden; sie schmecken fast noch intensiver als die Blätter. In der Küche dient Bärlauch als Gewürz in Aufläufen, Teigwaren und Salaten oder zur Herstellung von Kräuterkäse und Gewürzsalz. Bärlauch wurde als Heilpflanze bereits von den Germanen und Kelten genutzt. Heute sind vielen seine verdauungsfördernden Eigenschaften bekannt. Darüber hinaus wirkt sich Bärlauch positiv aus auf Cholesterin und Blutdruck, er ist reinigend und regt den Stoffwechsel an. Wer empfindlich reagiert, sollte kleine Mengen geniessen.

Bärlauch gibt's auch "light"
Die sanfte Alternative zum Bärlauch ist die Knoblauchrauke. Die jungen hufeisenförmigen Blätter sind kaum zu verwechseln, ihr Geschmack nach Knoblauch ist dezent, der Abgang leicht scharf. Die Knoblauchrauke gehört zu den Kreuzblütlern und nicht zu den Liliengewächsen, weshalb sie für manche Menschen verträglicher ist. Die frischen Frühlingsblätter passen in den Salat oder Hüttenkäse, später im Jahr sammelt man die Samen und fertigt daraus Senf. Knoblauchrauke kommt im Laubwald und an Hecken- und Waldrändern vor und gesellt sich gern zur Brennnessel.
Dem Gundermann (Gundelrebe) gefällt es in dieser Umgebung ebenfalls. Im Frühling sind die kleinen Pflanzen leicht zu übersehen. Einfacher wird es, wenn die typisch blau-violetten Lippenblüten da sind. Sie sind süsslich, die Blätter aromatisch und herb. Man sollte sie sparsam verwenden, um Salate oder Frischkäse zu würzen; der Geschmack kann rasch dominieren. Gundermann ist ebenfalls eine alte Heilpflanze. Die heilige Hildegard von Bingen (1098–1179) empfahl sie zur Wundheilung und bei Erkrankung der Bronchien. Bei Husten und Schnupfen kann eine heisse Milch mit Honig und zwei Blättern Gundermann helfen, den Schleim zu lösen. Zudem gehört er in die Gründonnerstags-Suppe. Die stärkende Kräutersuppe wird mancherorts noch heute in der Woche vor Ostern gegessen.
Nicht zu viel vornehmen
Für seine ersten Streifzüge in die Welt der essbaren Wildpflanzen sollte man sich auf wenige Pflanzen beschränken. Die Standorte sind auf keiner Karte zu finden; die Suche gestaltet sich oft aufwändig und zeitintensiv. Statt ein ganzes Menu zu kochen, kann man einfach den Salat mit Wildkräutern anreichern oder eine Pflanzensuppe als Vorspeise zubereiten. So bleiben Enttäuschungen erspart, und auf jeder Exkursion gibt es wieder etwas Neues zu entdecken
Kleines Wildpflanzen-ABC
Beim Sammeln und Zubereiten von Wildpflanzen sollten folgende Punkte beachtet werden:
Was sammeln:
Grundsätzlich sammelt man nur, was man sicher bestimmen kann. Kommen bei einer Pflanze Zweifel auf, lässt man sie stehen. Geerntet werden möglichst junge, gesunde Pflanzen.
Wo sammeln:
Pflanzen sammelt man dort, wo sie häufig vorkommen. Strassenränder, Felder und gedüngte Wiesen meiden. Vorsicht ist bei Gewächsen im oder am Wasser geboten, vor allem wenn in der Nähe Tiere weiden.
Wie sammeln:
Jedes Blatt, jede Blüte und jede Knospe einzeln pflücken und aufmerksam bleiben. Ist die Pflanze gesund? Bin ich sicher, dass es sich um das gesuchte Objekt handelt? Die Pflanzen nach Arten getrennt sammeln – das erspart mühsames Sortieren. Wildpflanzen sind schmackhaft und energiereich. Kleine Mengen genügen.
Nicht sammeln:
Einige Pflanzen sind nicht bekömmlich, wenige stark giftig bis tödlich. Giftpflanzen lernt man am besten vor Ort kennen und achtet darauf, was sie von den essbaren Verwandten unterscheidet. Giftige Pflanzen nicht mit Händen berühren. Tabu sind auch geschützte Pflanzen.
Wie zubereiten:
Als Suppe, Tee, Kuchen, Gemüse, Salatkräuter, Sauce oder Dessert. Rezepte gibt es im Buchhandel und im Internet. Vor der Zubereitung die Pflanzen nach Arten getrennt in einem Salz-Essig-Wasserbad waschen und nochmals kontrollieren. So beugt man auch Krankheitserregern und Parasiten vor.

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NATURZYT Ausgabe März 2014, Text/Fotos Daniel Fleuti