Weisses Eulen-Kücken in grünen Blätter im Frühling

Der Frühling ist die Zeit der Küken. Heimische Eulen legen Eier, die Küken schlüpfen nach etwa 25–30 Tagen. Im Anschluss verlassen sie meist früh das Nest. Ist das ein Problem?

Die meisten Vögel legen ihre Eier im Frühling. Die Jungen profitieren dabei von der Fülle der Natur, welche durch den zunehmenden Sonnenschein reich an Nahrung ist. Im Frühjahrfallen aber auch immer wieder Vogelküken aus ihren Nestern. Gründe dafür sind zum Beispiel die Geschwisterrivalität, Hunger oder auch stürmisches Wetter. Einige Eulenarten, vor allem Waldkäuze, beginnen ihre Balz bereits im Dezember jeden Jahres. Entsprechend früh im neuen Jahr legen sie auch ihre Eier in Spechthöhlen oder ausgefaulte Bäumen. Die Küken schlüpfen nach 28–30 Tagen. Anders als bei anderen Vogelarten ist das frühzeitige Verlassen des Nestes bzw. der Höhle bei Eulen nicht zwingend ein Versehen. Denn Eulenküken wagen sich bereits sehr früh aus ihrem sicheren Zuhause, da es für die schnell heranwachsenden Jungkäuze in den Höhlen bald zu eng wird. Sie lassen sich auf dem Boden oder auf einem Ast in Bodennähe nieder, obwohl sie weder fliegen noch selber jagen können. Ihr Daunenkleid ist dann schon so dicht, dass sie die Wärme der Mutter nicht mehr brauchen. Diese so genannten «Ästlinge» werden ausserhalb des Nests von ihren Eltern weiterhin versorgt. Von Mitte April bis Ende Juni sitzen Eulenküken alleine auf Ästen von Sträuchern in der Nähe ihrer Bruthöhle oder ihres Nistkastens. Obwohl sie versorgt werden, sorgen sich oft vorbeigehende Spaziergänger/ innen um die einsamen Vögel und bringen sie fälschlicherweise in eine Rettungsstation.

Uhn-Kücken auf grünem Tuch in der Greifvogel-Station
Das kleine Küken weiss noch nicht, wie ihm geschieht, doch bald fliegt es wieder in die Freiheit.

Was tun wenn ein Greifvögel Küken am Boden gefunden wird?

Falls Sie in den kommenden Wochen einzelne Küken auf Ihrer Runde im Wald finden, so versuchen Sie herauszufinden, ob es sich um ein Eulen- oder Greifvogelküken handelt. Eulenküken erkennt man an befiederten Füssen und einem runden, grossen Kopf mit nach vorn gerichteten Augen. Greifvogelküken hingegen haben nackte, hornbeschuppte Füsse und die Augen befinden sich seitlich am Kopf. Sitzt ein Eulenküken am Boden, kann man es behutsam auf einen niedrigen Ast eines umliegendes Strauches oder Baumes setzen. Da sind sie vor Feinden einigermassen sicher. Die Vogeleltern werden es auch nach dem menschlichen Kontakt noch füttern. Ansonsten können die Küken aus respektvollem Abstand beobachtet werden, ohne sie zu stören. Sie werden sich in aller Regel prächtig entwickeln und zu hübschen Vertretern und Vertreterinnen ihrer Art heranwachsen.

Waldkautzküken in den Händen eines Pflegers der Greifvogelstation
Die wunden Füsschen mussten mit Salbe und Bandagen sorgfältig gepflegt werden.

Greifvogel-Küken von Milan, Busshard Falken am Boden gefunden

Lässt sich ein Küken als Greifvogel identifizieren, dürfen Sie vorsichtiger sein. Milane, Bussarde, Falken und Co. bleiben normalerweise im Nest, bis sie ausgewachsen sind und fliegen können. Springen oder fallen sie vorher aus dem Nest zu Boden, werden sie nicht mehr von ihren Eltern versorgt und wahrscheinlich bald von Fuchs oder Marder gefressen. Solche einsamen Greifvogel-Küken brauchen in jedem Fall unsere Hilfe, denn ausserhalb des Nestes sind sie kaum überlebensfähig. Umfasst man sie mit einem Handschuh oder einem Stück Stoff, lassen sie sich in aller Regel einfach bergen. Denn so können sie sich nicht mehr flatternd wehren. Bedeckt man ihre Augen zusätzlich mit einem leichten Stoff, kann man ihnen die Orientierung und damit auch ein Stück weit die Angst nehmen. Diese Greifvögel-Küken haben nur eine Überlebenschance, wenn sie in fachkundige und professionelle Hände gebracht werden. Es ist nicht empfehlenswert und per Gesetz verboten, solche anspruchsvollen Küken selber grosszuziehen.

Junge Kücken einer Transportbox der Greifvogel-Station
Kinderstube Pflegebox: Die drei jungen Waldkäuze wachsen in der Greifvogelstation Berg am Irchel auf.

Rettung eines Waldkauz-Kükens

Beispielhaft soll hier die Geschichte eines im Frühling 2019 geretteten Waldkauz-Kükens erzählt werden. Das Küken wurde Anfang Mai von einem Passanten in die Greifvogelstation Berg am Irchel gebracht. Der aufmerksame Spaziergänger fand das Küken am Boden, die Beine des Tieres steckten im Schlamm fest und waren durch den Frost angefroren.

Sobald es in der Station ankam, untersuchten Mitarbeitende der Station das Kleine gründlich. Sie suchten nach gebrochenen Knochen, Anzeichen einer Infektion und/oder anderen potenziellen Gesundheitsproblemen. Bei Eulen dieses Alters ist das Team zudem besonders um das Gewicht und die Temperatur der Vögel besorgt. Obwohl alle Küken mit einer weichen, flauschigen Daunenschicht bedeckt sind, benötigen geschwächte oder verletzte Küken zusätz liche Wärme. Der Befund bei diesem Waldkauzküken war den Umständen entsprechend gut: Das Gewicht und die Temperatur waren O.K., es waren keine Brüche festzustellen, jedoch waren die Füsse des Kauzes entzündet. Durch den Schlamm entstanden sogenannte Abriebwunden.

Vogelküken brauchen regelmässig über den Tag verteilt Nahrung. Mehrmals täglich wurde dem Waldkauzküken artgerechtes Futter, wie zum Beispiel Mäuse, in die Pflegebox gelegt. Wühlmäuse sind eine perfekte Mahlzeit für die jungen Eulen, da sie grosse Mengen an Kalzium enthalten, die für die Knochenentwicklung notwendig sind. Der junge Waldkauz kam auf einen Tagesbedarf von vier bis fünf Portionen. Die Mitarbeitenden der Greifvogelstation führen die Fütterungen in regelmässigen Abständen durch. Werden die Küken zu lange allein gelassen, können sie an Hypoglykämie (Unterzuckerung) oder Dehydratation (Flüssigkeitsmangel) leiden. Zusätzliche Flüssigkeit bereitzustellen, ist nicht nötig, denn Eulen erhalten die benötigte Menge durch den Verzehr ihrer Beute.

Turmfalken im Käfig in der Greifvogelstation
Im Falle dieser Turmfalken wurde eine ganze Geschwisterschar gerettet.

Die Wunden an den Füssen des kleinen Schlamm-Kauzes wurden mit einer antiseptischen Creme und Bandagen behandelt. So konnten die Füsse rasch heilen und der Waldkauz wuchs zu einem hübschen Jüngling heran. Nachdem das Tier flügge wurde, warteten die Verantwortlichen noch weitere sechs Wochen. In dieser Zeit wurde das Küken von einer Pflegebox in die grössere Eulenvoliere verlegt, wo es Sicherheit im Flug gewinnen konnte. Mitte August, nach etwa drei Monaten Genesung und Aufwachsen in der Greifvogelstation, konnte der junge Kauz in die Freiheit entlassen werden, wo er fortan ein selbstständiges Leben in seiner natürlichen Umgebung führt.

Greifvogelstation Berg am Irchel – eine wichtige Institution im Artenschutz

Veronika von Stockar gründete 1956 in ihrem eigenen Garten die Station. So begann eine 52 Jahre lange Tätigkeit, während der über 3000 Tiere gepflegt wurden. Im Laufe der Jahre gewann die Station schweizweit an Aufmerksamkeit. Die präzise Buchführung über die gefiederten Patienten liefert wertvolle Daten über einheimische Greife. Für ihre ausser gewöhnliche Leistung wurde Veronika von Stockar 2007 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Zürich ausgezeichnet. 2008 übergab sie dann die Leitung der Stiftung PanEco, welche 1996 von Regina Frey, Veronika von Stockars Tochter, gegründet wurde. PanEco ist eine gemeinnützige und spendenfinanzierte Stiftung, die sich für Natur- und Artenschutz sowie Umweltbildung in der Schweiz und in Indonesien engagiert.
Heute leitet der Biologe und Ornithologe Andi Lischke die Station. Tatkräftig unterstützt wird er von einem stellvertretenden Leiter, einer Mitarbeiterin für Umweltbildung, einem Zivildienstleistenden undeinem kleinen Team von Freiwilligen.
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Spendenkonto: 8496678 / IBAN CH27 0900 0000 8400 9667 8
Greifvogelstation Berg am Irchel
Stiftung PanEco
Chileweg 5
8415 Berg am Irchel
T 052 318 14 27
info@greifvogel station.ch
www.greifvogelstation.ch

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NATURZYT Ausgabe März 2020, Text Nicole Bosshard, Fotos PanEco

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