Die Engelwurz wurde in Pestzeiten aufgrund ihrer vielfältigen Wirkung zur Bekämpfung der Pest eingesetzt. Heute nutzt die moderne Phytotherapie die Engelwurz als Tonikum, bei Verdauungsstörungen und Atemwegserkrankungen sowie als Antiseptikum. Ihre mannshohe und imposante Erscheinung vermittelt ein Gefühl von Kraft, Geborgenheit und Schutz.
Alten Legenden zu Folge erschien in Pestzeiten ein Erzengel einem Einsiedler und hat diesen in grösster Not auf die Heilkraft der Pflanze aufmerksam gemacht. Er war von der Pest befallen und wurde auf wundersame Weise geheilt. Diese Geschichte soll der Engelwurz ihren Namen gegeben haben. Der botanische Name der echten Engelwurz Angelica archangelica stammt aus dem Lateinischen Angelus, was Engel heisst.
Viele Namen – vielfältige Wirkung
Die Engelwurz hat viele Namen – Brust-, Luft-, Erzengel-, Heilig-Geist-, Theriakwurzel, Heiligenbitter, – sie deuten auf die vielfältige Anwendung der Engelwurz hin. Im Mittelalter wurde sie bei der Bekämpfung der Pest eingesetzt. Auch bei Paracelsus finden wir einen Hinweis auf das Pestkraut. Sie war hochgeschätzt wegen ihrer wirkungsvollen und verschiedenartigen heilenden Eigenschaften gegen schwere Krankheiten. Als Amulett getragen, sollte sie bösen Zauber abwenden. In der modernen Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) wird Engelwurz als vielseitig verwendbares Tonikum, bei Verdauungsstörungen, Atemwegsinfektionen und als Antiseptikum verwendet. Die Heimat der Engelwurz ist der hohe Norden, wo sie nicht nur als Heilmittel verwendet wurde, sondern auch als Nahrungsmittel von Bedeutung war. Bei uns wächst die Engelwurz an feuchten, schattigen Standorten, in Wiesen, an Bachufern oder Waldlichtungen. Die echte Engelwurz kommt in der Natur sehr selten vor. Sie lässt sich jedoch im Kräutergarten aus den Samen ziehen.

In unseren Gegenden finden wir die Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris). Aus ihrer rübenartigen Wurzel wächst ein gerillter, runder Stängel, der oft rötlich überlaufen ist. Daran entfalten sich aus bauchigen Blattscheiden lang gestielte, 2- bis 3-fach gefiederte Blätter. An der bis zu 2 m hohen Pflanze zeigen sich im Juli und August Blütenschirme (Blütendolden) mit weissen oder grünlichen Blüten. Die Engelwurz gehört zur Familie der Doldenblütler wie Liebstöckel, Dill, Kümmel, Fenchel, Wiesenkerbel und darf nicht mit giftigen Pflanzen dieser Familie wie Schierling, Riesenbärenklau oder Kälberkropf verwechselt werden.
Zu Heilzwecken werden die Wurzeln der echten Engelwurz und der Wald-Engelwurz verwendet. Die Wirkung der Wald-Engelwurz ist etwas geringer, der Geschmack der Wurzel bitterer.
Wurzeln ernten und aufbewahren
Wer Engelwurz sammelt, sollte beachten, dass empfindliche Menschen bei Berührung mit dieser Pflanze, insbesondere mit den Blättern, allergisch reagieren können. Die Wurzeln werden nach dem ersten Jahr im Frühling, bevor die Stängel austreiben, geerntet. Die Wurzel wird vorsichtig gesäubert, in kleine Stücke geschnitten, rasch getrocknet und aromageschützt aufbewahrt.
Stärkt das Immunsystem und die Nerven
Als aromatische Bitterpflanze stärkt Engelwurz das Immunsystem und wirkt allgemein kräftigend. Sie durchwärmt den ganzen Körper und stärkt das Herz. Erschöpfte Menschen bekommen mehr Antriebskraft und überreizte Menschen können besser entspannen. Engelwurz ist ein wichtiges Stärkungsmittel in Zeiten grosser Belastung oder nach einer langen Krankheit. Aufgrund ihrer antiseptischen Wirkung steigert Engelwurz in Grippezeiten die Abwehr und hilft ausserdem bei immer wiederkehrenden Infekten.

Bestandteil von Lebenselixieren
Die Engelwurz ist Bestandteil von verdauungsunterstützenden und entgiftenden Gesundheits- und Lebenselixieren, wie dem Schwedenbitter oder dem Kartäuserlikör. Engelwurz fördert die Produktion der Verdauungssäfte, so wird schweres Essen besser verdaut und Blähungen entgegengewirkt.
Brustwurz heilsam bei Erkältungen
Ein anderer Name für Engelwurz ist Brustwurz. Tee und Tinktur der Brustwurz sind auch für alle Brust- und Bronchialbeschwerden heilsam. Sie stärkt das Lungengewebe und wirkt schleimlösend sowie auswurffördernd bei chronischem Husten. In der chinesischen Medizin kennt man den Zusammenhang zwischen Atemwegserkrankungen und Verdauungsstörungen.
Botschaft der Engelwurz
Bei der Begegnung in der Natur sind wir von der erhabenen und vor Kraft strotzenden Erscheinung beeindruckt. Ihre lichtvolle Ausstrahlung vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit, Schutz und Mut.
Engelwurz in der Kräuterapotheke
Engelwurztee
1 TL geschnittene Wurzel mit 1 Tasse kaltem Wasser ansetzen, zum Sieden erhitzen, 5 Minuten zugedeckt ziehen lassen, abgiessen. 4 Wochen lang 2 bis 3 Tassen täglich eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten trinken. Der Tee schmeckt bitter, und dieses «Bitter» macht genau die Wirkung aus! Ein geflügeltes Wort sagt: «Was bitter dem Mund, ist dem Magen gesund».
Engelwurztinktur
Getrocknete oder frische Wurzel klein schneiden, und in einem Schraubglas mithochprozentigem Kornschnaps auffüllen. An einem hellen Ort stehen lassen, täglich schwenken und nach 2 Wochen abfiltrieren. In eine dunkle Flasche abfüllen und kühl lagern. 3 x täglich 5 bis 10 Tropfen mit etwas Wasser vor oder nach dem Essen einnehmen. Bei körperlichen und psychischen Schwächezuständen, als Tonikum zur Stärkung der Nerven, bei Magen-Darm-Krämpfen, Völlegefühl, Blähungen oder zur Auswurfförderung bei Atemwegserkrankungen.
Kräuterkurse und Kräuterrundgänge mit Ernestine
Ernestine Astecker ist kant. appr. Naturheilpraktikerin und arbeitet in eigener Gesundheitspraxis in Fruthwilen, im Thurgau. In Kräuterkursen und auf Kräuterspaziergängen gibt sie gerne ihre Begeisterung, ihr Wissen und ihre Erfahrung über Heilpflanzen weiter.
Nähere Informationen zum Kursangebot unter www.eastecker.ch oder Telefon 043 322 86 70.
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NATURZYT Ausgabe September 2014, Text Ernestine Astecker, Foto AdobeStock