Elbsandsteingebirge im Nebel und Morgenrot

Wahrhaft würdevoll steht er da. Die Ostseite in das zarte Orange des Sonnenaufgangs getaucht, umspielt von den Resten des Morgennebels. Die Elbe macht einen respektvollen Bogen um die imposante Erscheinung. Untertänig ducken sich die wenigen Häuschen in seiner Nähe – und setzen pittoreske Kontrapunkte zu seiner herrschaftlichen Präsenz.

Wer das Glück hat, den Lilienstein so zu erleben – früh am Morgen, von der Festung Königstein aus –, versteht sofort, warum er das Wahrzeichen des Nationalparks Sächsische Schweiz ist. Er ist nicht nur einer der markantesten Berge der Region, sondern auch einer der schönsten. Und er hat alles, was ein Tafelberg haben muss: ein Gipfelplateau flach wie ein Tisch, fast senkrechte Steilhänge und einen breiten, bewaldeten Sockel aus Bruchgestein.

Der Lilienstein steht auch für die geglückte Wiederansiedlung bereits ausgestorbener Tierarten in der Nationalparkregion. In den 1990er-Jahren wurden hier über siebzig junge Wanderfalken ausgewildert. Einige blieben im Elbsandsteingebirge, das mit seiner zerklüfteten Felsenwelt viele ideale Brutreviere bietet. Heute leben in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz wieder 30 Wanderfalkenpaare mit ihrem Nachwuchs.

Majestätische Tafelberge "Lilienstein", "Königstein" und "Pfaffenstein"

Wie Monumente für die Ewigkeit ragen der Lilienstein, der Königstein oder der Pfaffenstein aus der Landschaft. Ihre zerschundenen Silhouetten erinnern daran, dass diese Landschaft noch immer in Bewegung ist. In einigen Millionen Jahren wird auch der letzte steinerne Rest des kreidezeitlichen Meeres verschwunden sein. Der Mensch wird dann nur eine Episode und das heutige Elbsandsteingebirge nur eine Momentaufnahme eines malerischen Zerfalls gewesen sein.

Basteibrücke mit Felsen und Herbstbäumen
Die Basteibrücke im Herbst - ein ausgezeichneter Ort, um das Naturwerk im Wandel zu betrachten (Foto Frank Richter)

Die Bastei ist ein ausgezeichneter Ort, um den Status quo dieses Naturkunstwerkes im Wandel zu betrachten. Der atemberaubende Ausblick und seine gute Erreichbarkeit haben das Felsmassiv einst zur Keimzelle für den Tourismus in der Region gemacht. Erst kamen die Maler der Romantik mit ihren Skizzenbüchern und Staffeleien, dann der Rest der Welt. In der Hochsaison sind das einige tausend Besucher pro Tag. Zum Glück gibt es noch zahlreiche weitere, ebenso eindrucksvolle, aber weniger frequentierte Aussichtspunkte. Zum Beispiel den Brand, auch «Balkon der Sächsischen Schweiz» genannt, 317 Meter über dem Meeresspiegel, unweit des Städtchens Hohnstein im Norden des Elbsandsteingebirges oder – für die Betrachtung vom Süden her – den Grossen Zschirnstein, die mit 561 Metern über Meer höchste Erhebung der Sächsischen Schweiz. Beinahe alles Felsige, was man in der Region gesehen haben muss, hat man von diesen beiden Punkten aus im Blick. Weitere gute Alternativen sind die Waitzdorfer Höhe bei Waitzdorf, der sogenannte Kuhstall – eine Höhle mit Aussicht – südlich von Lichtenhain oder die Schrammsteinkette nahe Bad Schandau.

Elbsandsteingebirge - spekatakuläre Naturerlebnisse in Tälern und Schluchten

Die Berge und Aussichtspunkte sind beeindruckend, keine Frage. Kenner empfehlen jedoch vor allem das andere Extrem des Höhenprofils der Region für besonders spektakuläre Naturerlebnisse: die Täler und Schluchten. Die dunklen, kühlen, oft von schroffen, üppig begrünten Felswänden umstandenen Gründe mit ihren klaren Bachläufen wurden in der Vorstellungswelt der Einheimischen in vormoderner Zeit gern mit Nixen, Kobolden, Geistern und Dämonen bevölkert. Und selbst als abgeklärter Mensch des digitalen Zeitalters kann man sich der Mystik dieser Orte, an denen bis heute Pflanzen der Eiszeit überdauert haben, nicht entziehen.

Weg mit Felswänden und Moos im Uttewalder Tor
Das Uttewalder Tor – hier stossen wir in die geheimen Gemächer der Natur vor. (Foto: Rene Gaens)

Das erlebt man zum Beispiel im Amselgrund, der südlich von Rathewalde als romantische Felsenschlucht beginnt, und am Amselsee, kurz vor Rathen, endet. Wer hier wandert, wird begleitet vom wandlungsfähigen Grünbach, der sich mal schmal, mal breit, mal langsam, mal schnell fliessend zeigt, dann zwischen den Felsen verschwindet um wenig später als der grösste Wasserfall weit und breit wieder aufzutauchen.

Als Motiv entdeckt und mit einem Namen versehen wurde das Elbsandsteingebirge von den Künstlern der Romantik. Hofmaler Alexander Thiele hält 1726 eine Ansicht der Festung Königstein fest. 40 Jahre später zieht es die Schweizer Maler Adrian Zingg und Anton Graff in die Gegend, von deren Schönheit sie sofort ergriffen werden. Ihnen verdankt die Region ihre Bezeichnung «Sächsische Schweiz», da sie sich an ihre Heimat erinnert fühlen. Die Reisenotizen und Ansichten inspirieren weitere Künstler. So entstehen im Laufe der Jahre unzählige Kupferstiche, Ölgemälde und Aquarelle. Auch Dichter folgen dem Ruf der Natur und Komponisten beginnen, die Melodie der Landschaft zu suchen. Hans Christian Andersen begeistert sich für die «geheimnisvolle Melancholie» des Felsenreichs. Richard Wagner lässt sich hier für den «Lohengrin» inspirieren und Carl Maria von Webers Librettist zur Wolfsschluchtszene im »Freischütz». Später dann auch Mary Shelley, seit ihrem «Frankenstein» eine der bekanntesten britischen Schriftstellerinnen ihrer Zeit.

Höhle mit Wanderin dem sogenannten Kuhstall
Der Kuhstall – eine Höhle mit Ausblick. (Foto: Frank Richter)

So haben die Künstler malend, dichtend und komponierend das Elbsandsteingebirge weltberühmt gemacht. Heute führen 112 zauberhafte Wanderkilometer als «Malerweg» zu ihren Lieblingsorten. Prämiert als «Schönster Wanderweg Deutschlands» führt der Rundweg in acht Tagesetappen zu den schönsten Punkten in der Sächsischen Schweiz. Bereits auf der ersten Wanderetappe kommt man durch den Uttewalder Grund. Es ist ein besonders geheimnisvoller Ort. Reizvoll ist vor allem der Einstieg bei Uttewalde. Fast meint man, den Eingang zu einem verwunschenen Märchenreich gefunden zu haben. Oder in Mary Shelleys Worten: «Wir stossen in die geheimen Gemächer der Natur vor, von ihr ausgeschmückt in der wildesten Launenhaftigkeit.»

Das Elbsandsteingebirge bestehend aus sächsischer und böhmischer Schweiz

Das Elbsandsteingebirge – bestehend aus Sächsischer Schweiz und Böhmischer Schweiz – ist eine der spektakulärsten Naturlandschaften Europas. Tafelberge faszinieren weltweit und sind Raritäten, da für die Entstehung bestimmte geologische Faktoren zusammenkommen müssen. Über 140 Millionen Jahre dauert es von den zarten Anfängen bis zur heutigen Pracht: Sedimente lagern sich auf dem Grund des damals noch die Region bedeckenden Meeres ab, werden zu Stein. Die so entstandene, mehrere hundert Meter dicke Sandsteinplatte wird gehoben und zerbricht. Wind und Wetter lassen die bizarren Felsformationen entstehen. Die Elbe gräbt sich etwa 300 Meter tief in den Sandsteinsockel ein. Härtere Bereiche bleiben dabei als Tafelberge stehen. Mehrere Dutzend Tafelberge mit Höhen bis 730 Meter prägen die Silhouette des Elbsandsteingebirges.

Nebel im Tal zwischen Bergen und Bäumen vor dem Lilienstein
Imposanter Blick auf den Lilienstein (links) und die Festung Königstein. (Foto: Frank Exss)

Welche Tafelberge man kennen sollte

Die mit etwa 730 Metern höchste Erhebung ist der Decinsky Sneznik (Hoher Schneeberg) in der Böhmischen Schweiz. Der Grosse Zschirnstein (561 Meter) ist der höchste Tafelberg der Sächsischen Schweiz. Der Königstein trägt die gleichnamige, weit sichtbare, einst uneinnehmbare Festung. Der Pfaffenstein, bekannt für seine Felsnadel «Barbarine» ist ein Muss. Seine zerklüftete Form lässt ihn wie eine eigene, wildromantische Landschaft wirken. Meist führen gut ausgebaute Wanderwege bis zum Gipfel. Das Elbsandsteingebirge befindet sich in Ostdeutschland, in Sachsen, südwestlich von Dresden.

Mehr Informationen

Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V., Bahnhofstrasse 21, 01796 Pirna, Deutschland
Telefon 0049 3501 47 01 47, www.saechsische-schweiz.de 

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NATURZYT Ausgabe September 2014, Text Michael Knaus, Sebastian Thiel

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