Für unsere kleinen wilden Nachbarn wird der Platz eng. Verbindungen zwischen Lebensraumelementen sichern vielen kleinen Wildtieren das Überleben. Eine Lücke im Gartenzaun oder das Stehenlassen von Bäumen bewirkt Grosses!
Grün- und Freiräume vernetzten im städtischen Raum
Die Grün- und Freiräume einer Stadt bilden ein Mosaik der verschiedensten Lebensraumtypen wie Grün anlagen, Innen- und Hinterhöfe, Park, Schul- und Sportanlagen, Friedhofareale, Flachdächer und Alleen. Aber auch Mauerritzen, Baumkronen, Baumscheiben und Kanalschächte können Lebensraum für die unterschiedlichsten Tierarten bieten. Diese Fülle an Lebensräumen in der Stadt stellt einladende Bedingungen für eine Vielzahl von Wildtieren dar, die in der Stadt eine zweite Heimat gefunden haben.
Das Mosaik an Lebensraumelementen wird jedoch unterbrochen und zerschnitten durch Gebäude, Strassen und Plätze, Mauern, Zäune und Absätze. Sie bilden Hindernisse, die je nach Tierart schwer zu überwinden sind. Betroffen von solchen Hindernissen sind ganz besonders kleinere Wildtiere wie Igel, Amphibien und Reptilien, welche aufgrund ihrer Grösse Mühe haben, Hindernisse zu überwinden. So können geeignete Lebensrauminseln für sie unerreichbar bleiben. Die Vernetzung der städtischen Lebensräume ist ein wichtiges Element in der Förderung der Biodiversität im Siedlungsgebiet. Je nach Tierart oder Tiergruppe sehen die Ansprüche, welche Wildtiere an diese Vernetzung stellen, anders aus. Kleine Fussgänger wie die Igel, benötigen zusammenhängende Korridore und möglichst wenige Barrieren, damit sie städtische Lebensräume nutzen können. Eichhörnchen hingegen legen kaum längere Strecken am Boden zurück. Sie sind auf Bäume und Sträucher als Lebensraum und zur Fortbewegung angewiesen.

25 Zentimeter Stufen sind für Igel eine grosse Hürde
Stufen ab etwa 25 Zentimeter werden für die meisten Igel zu einem Hindernis. Dank ihrem bestens entwickelten Ortsgedächtnis können sich die Igel zwar gut im städtischen Labyrinth orientieren und kennen Durchschlüpfe wie kleine Lücken in Zäunen oder Durchgänge, aber ein Teil der geeigneten urbanen Lebensräume wie Gärten oder Grünanlagen sind für Igel nicht oder nur schwer zugänglich, weil Mauern und Zäune keine Lücken aufweisen. Das Streifgebiet eines Igels während einer Saison umfasst etwa 30 bis 40 Hektaren. Innerhalb einer Nacht legen Igel ein paar hundert bis mehrere Kilometer zurück und suchen grosse Flächen auf der Suche nach Nahrung ab. Eine möglichst hohe Durchlässigkeit der Igel-Streifgebiete ist deshalb wichtig.
Das Antreffen eines Igels in seinem Streifgebiet ist jedoch mit mehr Glück verbunden als noch vor 30 Jahren: Untersuchungen aus Zürich im Rahmen des Projekts StadtWildTiere haben gezeigt, dass dort die Igel in den letzten 25 Jahren um 40% zurückgegangen sind. Dies ist alarmierend, besonders wenn man berücksichtigt, dass Siedlungsgebiete als Rückzugsorte der Igel gelten, weil der landwirtschaftliche Raum kaum noch Lebensraum für Igel bietet. Daher haben wir im Siedlungsraum eine grosse Verantwortung für diesen sympathischen Stachelträger.


Eine ungenügende Vernetzung der Lebensräume verstärkt die weiteren Faktoren, welche zum Rückgang der Igel beitragen. Diese Faktoren sind bereits vielfältig: der Rückgang der Insekten, die Gefahren durch den Strassenverkehr, Rasenroboter, Fadenschneider, Lichtschächte oder Wasserstellen ohne Ausstiegshilfe sowie Dachse als natürliche Feinde, welche vermehrt auch im Siedlungsraum anzutreffen sind. So wird das geringe Futterangebot zusätzlich geschmälert, wenn passende Grünräume aufgrund von Hindernissen wie Treppen, Mauern oder Zäunen für Igel nicht oder nur schlecht zu gänglich sind. Igel brauchen damit mehr Zeit für die Wege zu den Nahrungsquellen und müssen sich länger in gefährlichen Bereichen wie Strassen aufhalten.

Eichhörnchen sind auf zusammenhängende Grünstrukturen angewiesen
Die Verdichtung der Stadt führt zu einer zunehmenden Zerstückelung (Fragmentierung) der Aussenräume: Zusammenhängende Grünräume werden immer kleiner und zwischen den Grünräumen gibt es oft keine durchgehende, natürliche Verbindung. Darunter leiden insbesondere Arten, die für ihre Ausbreitung auf gewisse Strukturen angewiesen sind, z.B. auf Hecken, Grünstreifen oder Bäume. Auch wenn einzelne Bäume eine Reihe von wichtigen Ökosystemleistungen erbringen können, sind Tierarten wie das Eichhörnchen auf zusammenhängende Grünstrukturen mit vielen Bäumen angewiesen. Denn Eichhörnchen bewegen sich im Normalfall hoch oben in den Bäumen und brauchen somit Baumkronen, die sich im Idealfall berühren, damit sie sich von Baum zu Baum bewegen können. Ein Eichhörnchen kann zwar bis zu 2 Meter weit von Baumkrone zu Baumkrone springen, grössere Distanzen sind für Eichhörnchen auf dem Luft weg jedoch nicht erreichbar und zwingen sie dazu, gewisse Strecken am Boden zurückzulegen. Dies ist jedoch nicht ungefährlich, denn am Boden lauern Gefahren wie Hunde oder der Strassenverkehr. Das Fällen von Bäumen in Vernetzungsachsen führt daher beim Eichhörnchen nicht nur zu Lebensraumverlust, sondern auch zu einer eingeschränkten Ausbreitungsmöglichkeit. So haben auch Studien ergeben, dass das Eichhörnchen besonders anfällig auf die Zerstückelung des Lebensraumes ist.

Hindernisse aufheben und gefahren entschärfen
Um die Durchgängigkeit des Siedlungsraumes für kleine Wildtiere zu verbessern, müssen Barrieren und Hindernisse beseitigt werden. Igel brauchen Durchgänge von rund 10 x 10 Zentimetern, um in einen Garten zu gelangen. Auch Gefahren können leicht entschärft werden, wenn Lichtschächte mit einem Gitter abgedeckt oder Wasserstellen mit einer Ausstiegshilfe versehen werden. Ein insektenfreundlicher Garten wird mit genügend Versteckmöglichkeiten so zu einem gut zugänglichen Igellebensraum. Damit Igel in ihrem Streifgebiet von etwa 30–40 Hektaren freie Bahn haben, werden idealerweise die umliegenden Gärten ebenfalls verknüpft und gesichert. Für Eichhörnchen sind Baumkorridore als Vernetzungsachsen wichtig. So haben Baumkorridore, neben dem ökologischen und klimatologischen Wert der Einzelbäume, als Vernetzungsstruktur zusätzlich einen immensen Wert für die Biodiversität im Siedlungsraum. Zusammenhängende Baumund Heckenstrukturen sollten gefördert werden, damit Eichhörnchen ein gefahrenloses Durchkommen im Siedlungsraum haben.

Verein StadtNatur
Der Verein StadtNatur besteht seit 2013 mit dem Ziel, die Natur in Siedlungsräumen sichtbar zu machen, zu schützen und zu fördern. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, wie lebendig es vor ihrer Haustüre zu und her geht. Das möchte der Verein ändern, denn wer die Vielfalt an Wildtieren im Siedlungsraum nicht kennt, kann sie auch nicht schützen. Im Gegenteil: Solche Wissenslücken führen dazu, dass immer mehr Lebensräume von Wildtieren zerstört werden. Mit den Projekten «StadtWildTiere » und «Wilde Nachbarn» werden gemeinsam mit der Bevölkerung Wildtierbeobachtungen gesammelt, um die Wildtiere im Siedlungsraum sichtbar zu machen und deren Verbreitung zu erforschen. Zusätzlich werden in vielen Regionen der Schweiz Exkursionen, Schulprojekte und Forschungsarbeiten durchgeführt, bei denen sich die Bevölkerung aktiv beteiligen kann. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Behörden fliessen die Erkenntnisse in die Stadtplanung mit ein, damit Eichhörnchen, Igel, Wildbienen und Co. auch in Zukunft einen Platz in unseren Dörfern und Städten haben.
Mehr zu den Projekten:
Jedes Abo hilft … Werden Sie Abonnent und unterstützen Sie mit uns wichtige Naturprojekte. Jetzt abonnieren unter www.naturzyt.ch/abonnieren
Weitere Themen rund um unsere Wildbienen die lehrreich sind:
Wollbiene und Wiesenhummel - Wildbienen in der Stadt
Greifvögel schützen: Greifvögel und ihre Stellung im Ökosystem
NATURZYT Ausgabe September 2024, Text Katja Rauchenstien, Lisa Wirthner