Holzbank mit Frau am Waldrand im Herbst

Wer vier Stunden im Flachland wandert, legt dabei mindestens 16 Kilometer zurück. Beim Waldbaden hingegen heisst es: Weniger ist mehr. In derselben Zeit gehen wir vielleicht zwei Kilometer. Natürlich können wir auch beides verbinden und auf einer Wanderung einen längeren «Waldbadehalt» einlegen.

Die deutsche Version des japanischen Ausdrucks «Shinrin Yoku» ist «Waldbaden». In Japan ist Shinrin Yoku heute ein medizinisch anerkanntes Naturtherapiekonzept. Es entstand ursprünglich Anfang der 1980er-Jahre, um mehr Menschen in die wunderschönen japanischen Wälder zu locken. Bald stellte sich heraus: Der Wald hat ein grosses therapeutisches Potenzial, und es gibt gute Gründe, weshalb viele Menschen sich nach einem Aufenthalt im Wald zufriedener und entspannter fühlen.

Waldbaden stärkt das Immunsystem

Mediziner, Biologen und Umweltwissenschaftler begannen, die Wirkung des Waldes auf den menschlichen Organismus genauer zu untersuchen. Der Waldtherapieforscher, Arzt und Agronom Yoshifumi Miyazaki sagt: «Unser Körper hat sich im Laufe von Millionen von Jahren der Evolution an seine natürliche Umgebung angepasst. Und obwohl wir es nur schwer einsehen wollen, versetzt uns das Leben in der modernen Welt in einen permanenten Stresszustand. Der Kontakt mit der Natur kann uns dabei helfen, uns körperlich zu entspannen; zudem bringt er uns näher an unsere Wurzeln als Mensch heran.» Waldbaden wirkt körperlich, geistig und seelisch. Eine wichtige Rolle spielen die Terpene, die zum Beispiel in Blüten, Blättern, Früchten, Rinden,Wurzeln und in Harz zu finden sind und jedem Wald seinen ureigenen, aromatischen Duft verleihen. Im Wald finden laufend Terpene den direkten Weg in unserzentrales Nervensystem. Entschleunigung, Stärkung des Immunsystems, Abbau von Stresshormonen und Zellregeneration gehören zu den Wirkungen.

Waldbaden heisst sich auf den Rhythmus der Natur einlassen

Die japanischen Ärzte empfehlen, nicht mehr als einen Kilometer pro Stunde zurückzulegen und sich ganz auf den Moment und den Rhythmus der Natur einzulassen. Die inzwischen recht umfangreiche Waldbade-Literaturbietet eine breite Auswahl an Meditations-, Sinnes- und Achtsamkeitsübungen. Der Amerikaner M. Amos Clifford, Gründer der «Association of Nature and Forest Therapy Guides and Programs» warnt indes vor Übereifer. Der könne in eine Leistungs- und Erwartungsfalle führen – also genau den Stress auslösen, dem Waldbaden ja eigentlich entgegenwirken will. Clifford findet beim Waldbaden kindliche Neugier, Experimentierfreude und Spiellust am wichtigsten.

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Wandern im Val Frisal - Die Urwald-Fichten von Scatlè

Wandern auf dem Mont Raimeux

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NATURZYT Ausgabe September 2019, Text/Fotos Daniel Fleuti, Andrea Kippe

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