Fledertiere sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können. Während des Fluges rufen die einheimischen Fledermäuse in einem für uns Menschen oft nicht hörbaren Bereich und orientieren sich anhand der Echos.
Fledermäuse sind hauptsächlich in der Dämmerung und in der Nacht unterwegs. Sie scheinen lautlos und heimlich durch die Dunkelheit zu fliegen. Lautlos sind die Flatterer allerdings nur für uns: Tatsächlich sind sie äusserst stimmgewaltige Tiere, die mit ihren Rufen in Frequenzbereichen ausserhalb des menschlichen Hörspektrums Schalldrucke vergleichbar mit denen eines Düsenflugzeugs erzeugen können!
Echoorientierung - ein Vorteil in der Evolution?
Als Echoorientierung bezeichnet man die Fähigkeit, sich anhand der Echos von Rufen im Raum zu orientieren. Der Schall wird von allfällig vorhandenen Objekten in der Umgebung reflektiert und gelangt als Echo zur Fledermaus zurück. Dieses wird durch das Fledermausohr aufgenommen und anschliessend setzt das Hirn die Schallinformationen zu einem sehr präzisen «Hörbild» zusammen. Mittels Echoorientierung können sich alle unseren einheimischen Arten bei kompletter Dunkelheit im Raum orientieren. Viele Arten nutzen sie auch zum Beutefang. Fledermäuse können anhand der zurückgeworfenen Echos auch Grösse, Formen und sogar feinste Strukturen von der Dicke eines Haares akustisch erkennen! Fledermäuse können sogar Oberflächenbeschaffenheiten und Materialien wie Aluminium, Sperrholz, Plexiglas oder Kunststoff unterscheiden.
Die Echoorientierung unserer Fledermäuse dürfte dem Sehvermögen vieler Tierarten ebenbürtig sein. Dank dieser besonderen Fähigkeit konnten sich Fledermäuse den Luft raum in absoluter Dunkelheit, unabhängig vom Sonnenlicht, erschliessen. Die Echoorientierung in Kombination mit dem eindrücklichen Flugvermögen dürfte die Entstehung von Arten innerhalb der Ordnung der Fledertiere massgeblich begünstigt haben. So entstand eine unglaubliche Artenvielfalt von heute weltweit rund 1'500 bekannten Fledertierarten.
Ruferzeugung im Rhythmus des Flügelschlages
Fledermäuse erzeugen ihre Rufe genau wie wir Menschen über den Kehlkopf. Die Luft wird durch die Stimmritze mit grossem Druck ausgestossen und dabei in Schwingung versetzt. Je nach Öffnung der Stimmritze werden höhere oder tiefere Schallwellen ausgestossen. Die Laute werden in einem Bereich von etwa 20 bis zu 140 Kilohertz erzeugt. Bei Fledermäusen in der Natur wurden Schallpegelleistungen von bis über 140 Dezibel gemessen, was lauter als ein Düsenflugzeug beim Start ist!
Die Rufe verlassen bei den meisten Fledermausarten den Körper über die Maulöffnung. Dies erklärt, wieso Fledermäuse während des Fluges das Maul meist geöffnet haben. Die seltenen Hufeisennasenfl edermäuse – von denen zwei Arten in der Schweiz vorkommen – stossen die Schallwellen jedoch über die Nase aus. Bei diesen beiden Arten funktioniert der spezielle Nasenaufsatz wie ein Megafon. Sie können sich mit dieser Eigenschaft also auch bei geschlossenem Maul im Flug orientieren.
Fledermäuse rufen meist im Rhythmus des Flügelschlags und sparen damit vermutlich die Energie, die für die Ruferzeugung bzw. das Komprimieren des Brustkorbes aufgewendet werden müsste. Je nach Fledermausart und erforderlicher Situation werden pro Flügelschlag ein bis zwei Ortungsrufe ausgestossen. So rufen sie im Flug entsprechend ihrer Flügelschlagfrequenz 7- bis 20-mal pro Sekunde! Kurz vor dem Erbeuten eines angepeilten Insektes erhöht sich die Anzahl Rufe nochmals stark, was man als soge nannten «Feeding Buzz» bezeichnet. Zum Empfangen des Echos besitzen Fledermäuse ein hoch entwickeltes Ohr und einige Arten grosse Ohrmuscheln, die bei Langohrfledermäusen fast so lange wie der restliche Körper sein können.
Fledermäuse, die Gesangskünstlerinnen
Fledermäuse rufen aber nicht nur, um sich im Raum zu orientieren und Beute zu fangen, sondern auch für die inner- und zwischenartliche Kommunikation. Es lassen sich neben den Echoortungsrufen noch zwei weitere Ruftypen unterscheiden: Sozialrufe und Stressrufe. Sehr oft ist mindestens ein Teil der Sozialrufe von Fledermäusen für Menschen ohne technische Hilfsmittel gut hörbar. Wir können sie als hohes Zwitschern oder Trillern wahrnehmen. Wie und was für Informationen zwischen den Fledermäusen effektiv ausgetauscht werden, ist grösstenteils noch unbekannt. Einfache Interaktionen wie Vertreiben von Konkurrenten oder Feinden, Zeigen von Verstecken sowie Kommunikation während der Paarung lassen sich durch Beobachtungen interpretieren. Forschende fanden zudem heraus, dass Muttertiere einer Fledermausart aus Zentral- und Südamerika eine Art Babysprache verwenden, wenn sie sich ihrem Nachwuchs zuwenden. Aufgrund der teilweisen hochkomplexen Koloniestrukturen, koordinierter Migrationen und des Wechsels von Quartieren muss der Informationsaustausch zumindest bei einigen Fledermausarten viel grösser und komplexer sein, als wir bisher verstehen!
Einige Fledermausarten, so zum Beispiel der Grosse Abendsegler, nutzen ihre Stimme auch für die Balz. So sitzen die Männchen der Grossen Abendsegler zur Paarungszeit im Herbst in ihren Baumhöhlen und locken – mit auch für Menschen hörbaren – Balz rufen die Weibchen in ihr Versteck.
Bioakustik - Forschung und Artenschutz mit Fledermausrufen
Fledermäuse sind bundesrechtlich geschützt. Viele einheimischen Fledermausarten sind zudem bedroht und benötigen im Artenschutz, bei Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Eingriffsplanungen eine spezielle Aufmerksamkeit – denn nur was man kennt, kann man auch schützen. Nachweise von Fledermausarten mit Hilfe von akustischen Aufnahmen, der sogenannten Bioakustik, spielen deshalb eine zunehmend wichtige Rolle.
Anhand von Ultraschallgeräten können Ortungsrufe hörbar gemacht werden und ermöglichen es, Fledermäuse im Feld akustisch zu erfassen, ohne sie fangen zu müssen. So kann Stress für die Tiere vermieden werden. Eine Datenerhebung ist mit heute kommerziell erwerbbaren Hightech- Aufnahmegeräten auch durch Laien möglich. Die Artzuordnung aufgenommener Fledermausrufe erfordert hingegen viel Know- how und Erfahrung und sollte deshalb immer von Fledermausexpert(inn)en durch geführt werden.
Für fledermausbegeisterte Personen, die diese Tiere einfach gerne hören möchten, gibt es aber leicht bedienbare Detektoren, welche die Ultraschallrufe automatisch in den hörbaren Bereich transformieren. So steht dem Aufspüren unserer heimlichen Königinnen der Nacht auf einem Abendspaziergang nichts mehr im Wege!
Die Stiftung Fledermausschutz
Das Hauptanliegen der Stiftung Fledermausschutz ist die Sympathiewerbung für Fledermäuse, denn nur wer Fledermäuse kennt, kann Fledermäuse schätzen und schützen. Die Stiftung Fledermausschutz ist die Drehscheibe für fledermauskundliche Informationen in der Deutschschweiz und im Tessin. Sie berät Behörden, Fachpersonen und die Bevölkerung bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Schutzbestimmungen. Am Zoo Zürich unterhält sie die Ausstellung «Fledermaus-Welt» und bietet für die interessierte Bevölkerung zahlreiche Ausbildungslehrgänge und Events an, um Fledermäuse hautnah erleben zu können. Die Stiftung Fledermausschutz betreibt mit Unterstützung des Zoos Zürich und des Zürcher Tierschutzes das Fledermausschutz-Nottelefon und die Fledermaus-Notpflegestation. Darüber hinaus engagiert sie sich für die Umsetzung konkreter Schutzprojekte. Helfen Sie uns, unseren Fledermäusen zu helfen!
Spendenkonto: PC 80-7223-1, IBAN CH71 0900 0000 8000 7223 1
Stiftung Fledermausschutz
Zürichbergstrasse 221
8044 Zürich
Sekretariat: 044 254 26 80
Fledermausschutz-Nottelefon: 079 330 60 60
www.fledermausschutz.ch
Jedes Abo hilft … Werden Sie Abonnent und unterstützen Sie mit uns wichtige Naturprojekte. Jetzt abonnieren unter www.naturzyt.ch/abonnieren
Weitere Themen rund um die Schweizer Fledermäuse die Sie interessieren könnten:
Fledermäuse schützen: Eine Ode an die Fledermaus
Fledermäuse schützen: Wenn Jungtiere vom Himmel fallen
Im Herbst spüren Fledermäuse den Frühling
NATURZYT, Ausgabe März 2023, Text Katja Schönbächler, Fotos Stiftung Fledermausschutz