Das Ruprechtskraut ist ein altes Heilmittel mit langer Tradition in der Volksheilkunde. Man nutzte es bei Magen-Darm-Entzündungen, Durchfällen, Geschwüren, Ekzemen, bei Melancholie und Traurigkeit.
Das Ruprechtskraut in der Natur finden
Auf einem meiner Streifzüge durch Wald und Wiese im Frühsommer stand ich plötzlich auf einer Waldlichtung, wo sich blühendes Ruprechtskraut mit saftig grünen Blättern und zartrosa Blüten in einem weiten Teppich vor mir ausbreitete. Jetzt erinnerte ich mich, dass ich das Ruprechtskraut hier schon vor einigen Jahren einmal entdeckte, danach aber war es verschwunden und jetzt zeigte es sich wieder in voller Pracht. Eingeladen von diesem Geschenk der Natur, verweilte ich einige Zeit an diesem besonderen Ort und liess diese heilige Stimmung auf mich wirken. Freude und Glücksgefühl stiegen in mir auf und innerer Frieden kehrte ein. Ein etwas herber Duft kitzelte meine Nase, der sich beim Berühren des Ruprechtskrautes verstärkte. Wegen seines etwas strengen und herben Geruches wird Ruprechtskraut auch Stinkender Storchschnabel (Geranium robertianum) genannt. Nun, ob die Pflanze stinkt, ist Ansichtssache, das empfindet jede Nase anders. ;-)
Man findet das Ruprechtskraut im Gebüsch, an Mauern, in lichten Wäldern, auf Schuttplätzen. Die Pflanze wird 20 bis 50 Zentimeter hoch, die dünnen Stängel sind reich verzweigt und häufig rötlich überlaufen. Die Blätter sind in ihrem Gesamtumriss dreieckig und bestehen aus drei bis fünf getrennten Teilblättchen. Stängel, Blätter und die roten Kelchblätter der Blüten sind behaart. Die kleinen Blüten sitzen zu zweit an kurzen Stielen, die 5 Blütenblätter sind rosarot mit weissen Streifen. Das typische Kennzeichen ist die schnabelförmige Frucht. Nach dem Reifen lösen sich die Fruchtblätter und schleudern den Samen in die Luft .
Das Ruprechtskraut unterscheidet sich von den vielen Storchschnabel arten, die bei uns heimisch sind, in Farbe und Form der Blüten. Der Wiesen- Storchschnabel (Geranium pratense) hat blauviolette, der Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum) rotviolette Blüten. Den selten gewordenen Braunen Storchschnabel (Geranium phaeum) mit schwarz-violetten Blüten findet man auf ungedüngten Wildkräuterwiesen in Österreich. Von den vielen Storchschnabelarten wird vor allem der Stinkende Storch schnabel als Heilpfl anze verwendet. Ruprechtskraut reiht sich ein die Familie der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae) und ist mit den Geranien als Zierpflanze auf dem Balkon verwandt.
Das Ruprechtskraut im eigenen Garten
Die in der freien Natur gesammelten Samen werden im Herbst an einem schattigen Platz in feuchte, humusreiche Erde gesät. Der Storchschnabel braucht keine besondere Pflege, da er sich rasch vermehrt.
Ernte und Aufbewahren des Ruprechtskrautes
Das blühende Kraut wird von Mai bis August kurz über dem Boden abgeschnitten und in Büscheln an einem schattigen Ort zum Trocknen aufgehängt. Das geschnittene Kraut wird in Gläsern aufbewahrt.
Geheimnissvolle Namen des Ruprechtskrauts
Der Name «Ruprechtskraut» soll sich auf das althochdeutsche «rotbrecht» beziehen, was so viel wie «rötlich glänzend» bedeutet, ein Hinweis auf die rötliche Färbung der Pflanze. Andere leiten ihn vom heiligen Robert oder «Ruprecht» ab, der als Gründer des Zisterzienserordens den medizinischen Gebrauch des Storchschnabels gelehrt haben soll. Die Ärzte im Mittelalter sollen den Stinkenden Storchschnabel hoch gepriesen haben, da immer wieder der Name «Gottesgnadenkraut» auftauchte.
Bei Tabernaemontanus (17. Jh.) wird Geranium robertianum als Rotlaufkraut bezeichnet, nach der Rotlaufkrankheit, für welche das Kraut als Heilmittel galt.
Ruprechtskraut: Was sagen die alten Kräuterkündigen?
Hildegard von Bingen empfahl den Storchschnabel in Pulverform, zusammen mit anderen Kräutern, bei Herzleiden durch Traurigkeit und Pessimismus. Paracelsus riet, das Ruprechtskraut zu essen, um das Herz zu stärken und die Schwermut zu verlieren. Kräuterpfarrer Künzle empfahl bei Nervenschmerzen im Gesicht, bei Augenentzündungen, Geschwüren am Zahnfleisch, Schmerzen im Magen und den Nieren, das frische Kraut zu zerquetschen und auf die betroffenen Stellen zu legen.
Was sagt die Volksheilkunde zum Ruprechtskraut?
Die Schulmedizin verwendet das Ruprechtskraut nicht, aber in der Volksheilkunde ist es ein Heilkraut mit langer Tradition. Bereits in der Antike und im Mittelalter wurde es bei Wunden und Geschwüren in Form von Einreibungen, Umschlägen und Waschungen gebraucht. Ausserdem nutzte man die Pflanze bei Durchfällen, Magen-Darm-Entzündungen, bei Melancholie und Traurigkeit.
Das Ruprechtskraut in der Tierheilkunde
In früheren Zeiten wurde der Storchschnabel von den Bauern zur Behandlung von Blutharnen, Harnverhaltung und Nierenentzündung sowie als Wundheilungsmittel bei Rindern eingesetzt.
Heileigenschaften und Wirkungen des Ruprechtskrauts
Durch seinen Gehalt an Gerbstoffen, den Bitterstoff Geraniin, Flavonoide sowie ätherisches Öl wirkt der Storchschnabel zusammenziehend, blutstillend, blutreinigend, lymphfussanregend, ent gift end, entzündungs hemmend, antiseptisch, wundheilend, stopfend und leicht harntreibend.
Ruprechtskraut in der Frauenheilkunde
In der Frauennaturheilkunde wird Ruprechtskraut bei zu starker Menstruation und Milchstauung und zur Steigerung der Fruchtbarkeit angewendet. In der Volksmedizin wird der Storchschnabel auch «Kindlikraut» genannt, da es ein wichtiges Kraut bei unerfülltem Kinderwunsch war. Regelmässig über einen längeren Zeitraum getrunken, soll der Tee schon vielen Frauen zu Mutterfreuden verholfen haben.
Das Wesen der Pflanze des Ruprechtskrautes
Das Wesen des Ruprechtskrautes ist vor allem reinigend, ziehend und entgiftend. Auf der Seelenebene genauso wie für den physischen Körper. Auf der körperlichen Ebene aktiviert der Storchschnabel den Lymphfluss und leitet dadurch Gift e (z.B. chemische Stoff e, Medikamente) aus dem Körper. Auf die Psyche können traumatisierende Erlebnisse wie Gift wirken und zu einer seelischen Lähmung führen. Bei akuten oder auch länger zurückliegenden Schockzuständen kann der Storchschnabel die Blockaden, welche durch den Schock entstanden sind, lösen. Sind Blockaden gelöst, ist es möglich, durch mehr Klarheit im Leben neue Wege zu gehen. Bei der Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse mag es sinnvoll sein, sich fachkundige Begleitung zu holen.
Das Ruprechtskraut hat reinigende Wirkung auf Plätze
Der Stinkende Storchschnabel wächst auch gerne auf Plätzen, wo wir nicht lange verweilen, wie muffigen Hinterhöfen, Bahndämmen, Schutthalden, verfallenen Häusern. Der Storchschnabel kann solche Orte von alten Energien reinigen.
Ruprechtskraut in der Kräuterapotheke
Man kann den Storchschnabel als Tee, Wein, Tinktur, Pulver oder frisch gepressten Saft einnehmen oder anwenden.
Storchschnabel-Tee
2 Teelöffel getrocknetes Kraut mit ¼ l heissem Wasser überbrühen, 5 Minuten ziehen lassen, abseihen. Dieser Tee war ein wichtiges Hausmittel bei Magen- Darm- Entzündungen, Durchfall und zur Entgiftung. Dazu 2-mal täglich 1 Tasse trinken. Zu beachten: Eine Überdosierung soll vermieden werden, denn sie kann wegen des hohen Gerbstoff - gehaltes zu Magenreizung führen. Bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum, bei Zahn- und Halsschmerzen mehrmals täglich mit dem Tee gurgeln.
Bäder mit Storchschnabel
Zur Behandlung von Ekzemen, Hautausschlägen, schlecht heilenden Wunden, Fisteln und Geschwüren werden Bäder (1 l Storchschnabeltee pro Vollbad) angewendet. Für Umschläge und Kompressen ein Baumwolltuch oder ein Stück Verbandsmull in den Teeaufguss tauchen, auf die betroffene Stelle auflegen, befestigen und bei Bedarf erneuern.
Einreibungen mit Storchschnabel
Einen Esslöffel der Tinktur in einer Tasse lauwarmen Wassers verdünnen. Bei Nervenentzündungen und Hautausschlag nach Bedarf die betroffenen Stellen mehrmals täglich einreiben.
Frischpflanzen-Presssaft zur äusseren Anwendung
Das Kraut mit einem Pürierstab oder Mixer zerkleinern und durch ein Baumwolltuch pressen. Bei Nervenüberreiztheit, Seh- oder Hörschwäche, Erkältung als Folge von Stress oder Kälte wird der Nacken 2-mal täglich mit dem Saft eingerieben. Das frische zerquetschte Kraut wirkt antiseptisch und ist ein sehr wirksames Wundheilmittel, auch als rasche «Erste Hilfe» unterwegs. Bei Lippenherpes etwas frischen Pflanzensaft auftupfen.
Liebe Leserin, lieber Leser, wenn es mir gelungen ist, Sie mit diesem Kräuterartikel zu motivieren und zu ermutigen, selber das eine oder andere Rezept auszuprobieren und Erfahrungen mit den Schätzen der Natur zu sammeln, freut mich das sehr. Ich wünsche Ihnen viel Freude und gutes Gelingen. Wichtig ist, dass Sie nur jene Pflanzen sammeln und verarbeiten, die Sie ganz sicher kennen, ansonsten unbedingt mit fachkundigen Personen abklären.
Ihre Ernestine
Die Anwendung der angeführten Rezepturen erfolgt auf eigene Verantwortung und ersetzt keinen Arztbesuch. Eine Haftung der Verfasserin bzw. der Redaktion ist ausgeschlossen.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Courtenay, E., Heilkräuter.
- Fischer-Rizzi, S., Medizin der Erde.
- Hirsch, S. & F. Grünenberger, Die Kräuter in meinem Garten.
- Kalbermatten, R., Wesen und Signatur der Heilpflanzen.
- Vonarburg, B., Natürlich gesund mit Heilpflanzen70.

Kräuterkurse und Kräuterrundgänge mit Ernestine
Ernestine Astecker ist kant. appr. Naturheilpraktikerin und arbeitet in eigener Gesundheitspraxis in Fruthwilen, im Thurgau. In Kräuterkursen und auf Kräuterspaziergängen gibt sie gerne ihre Begeisterung, ihr Wissen und ihre Erfahrung über Heilpflanzen weiter. Nähere Informationen zum Kursangebot unter www.eastecker.ch oder Telefon 043 322 86 70.
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NATURZYT Ausgabe September 2019, Text/Fotos Ernestine Astecker